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Mediation bringt Klarheit – und warum Harmonie nicht immer das Maß aller Dinge ist

Liebe Leserinnen und Leser!

Wenn bei mir das Telefon klingelt und sich ein Interessent nach einer Mediation erkundigt, erwähnen viele das Wort „Harmonie“. Viele Interessenten gehen automatisch davon aus, dass nach der Mediation wieder ein harmonisches Verhältnis zwischen den Kontrahenten besteht. Zum Teil ist dies auch möglich, jedoch nicht immer. Was die Mediation jedoch fast immer herbeiführt: Klarheit! Und Klarheit kann manchmal einen viel höheren Stellenwert in unserem Leben einnehmen als Harmonie.

 

Harmonie birgt Konfliktpotenzial

Menschen, für die Harmonie besonders wichtig ist, gehen Konflikten gerne aus dem Weg. Sie wünschen sich, dass Konflikte gar nicht erst entstehen. Werden Diskussionen hitzig, steigen sie aus dem Gespräch aus, weil sie sich nicht streiten möchten. Dadurch und durch kontinuierliches „Nachgeben“ werden Konflikte aber nicht geklärt. Ganz im Gegenteil schwelen sie im Hintergrund weiter und verstärken sich mit der Zeit. Diesem Phänomen haben wir übrigens Ausdrücke wie „… bringt das Fass zum Überlaufen …“ zu verdanken. Durch ein übersteigertes Harmoniebedürfnis wächst nämlich auch das Konfliktpotenzial.

Statt schwierigen Gesprächen aus dem Weg zu gehen, sollten konfliktbehaftete Situationen unmittelbar geklärt werden. Es gibt Menschen, die Angst vor solchen Situationen haben. Sie laufen davor weg, was für alle Beteiligten unbefriedigend ist. Im Gegenzug könnte durch eine Klärung eine Win-Win-Situation herbeigeführt werden, bei der sowohl der Konflikt gelöst als auch die Angst vor zukünftigen Konfliktsituationen bewältigt werden kann.

Menschen, die ständig Konfliktsituationen vermeiden, verraten sich selbst. Denn als Bestandteil eines Konflikts geht es auch immer um eigene Erwartungen und Wünsche, für die jeder selbst einstehen sollte. Nach der Definition ist Harmonie ein „ausgewogenes, ausgeglichenes Verhältnis von Teilen zueinander“, also Ausgewogenheit. Natürlich ist Ausgewogenheit erstrebenswert, aber zu welchem Preis?

 

Mediation für Klarheit

Durch eine Mediation erlangen alle Beteiligten einen Einblick in die Sichtweisen des jeweils anderen. Sie erfahren, wie andere Beteiligte die Situation betrachten und was sie erwarten oder wünschen. Und dies ist letztendlich auch die Grundlage für das Treffen klarer Entscheidungen, die in dauerhaften Vereinbarungen münden.

Da Menschen zu Kooperation und Kreativität fähig sind, kann eigentlich auch jeder Konflikt gelöst werden. Ein weit verbreitetes Problem in Bezug auf eine Konfliktlösung ist jedoch die hohe Emotionalität, die den Einsatz dieser Flexibilität und Kreativität verhindert. Starke Gefühle führen dazu, dass eigentlich „normale“ Sachverhalte kognitiv verzerrt werden. Durch Emotionen neigen wir dazu, nur in Schwarz-Weiß zu denken und keine Grauzonen zuzulassen. Und wir halten dank unserer Gefühle auch zu gerne an eingefahrenen Mustern fest. Emotionen limitieren letztendlich unsere Wahrnehmung.

Die Mediation kann demnach als Hilfsmittel betrachtet werden, diese Knäuel aus persönlichen und sachlichen Verwicklungen wieder zu entwirren. Das Mediationsverfahren erschafft einen sicheren Rahmen, um sachliche Konflikte, starke Gefühle und auch wechselseitige Vorwürfe sowohl anzuerkennen und zu benennen als auch zu akzeptieren und letztendlich zu transformieren.

Als gemeinsamer und intensiv erlebter Entwicklungsprozess finden die Beteiligten dann schon fast allein zu der sachlich besten Lösung des Konflikts. Dies geschieht ohne „Einmischung“ durch den Mediator, der jedoch bei der Lösung von emotionalen Verwicklungen hilft. Denn nur dann, wenn Sorgen, Frust und Ärger „abgearbeitet“ wurden, sind kreative Kooperationen wieder möglich. Ziel der Mediation ist u.a., dass die Medianden ihre Situation wieder nüchtern betrachten und erkennen können, um Auswege zu finden. Kurzum: Klarheit!

 

Mediation funktioniert auch ohne Harmonie

Klarheit in der MediationZu den Grundsätzen für eine Mediation gehört die Freiwilligkeit. Alle Beteiligten müssen den freien Willen haben, am Mediationsverfahren teilnehmen zu wollen. Sie müssen also bereit sein, ihre Sicht auf die Dinge auf den Tisch zu legen. Auch müssen sich alle darüber im Klaren sein, dass in den Mediationsgesprächen auch unangenehme Dinge wie Vorwürfe zur Sprache kommen. Noch wichtiger ist das Wissen, dass Mediationen ergebnisoffen sind. Niemand weiß, wohin der Weg letztendlich führt. Es kann also nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass auch wirklich eine Lösung gefunden wird und danach wieder eitel Sonnenschein herrscht.

Wer dies jedoch für sich selbst akzeptiert und mit einer guten Portion Neugier in eine Mediation geht, wird von der Klarheit profitieren, die das Verfahren nahezu immer erreicht. In aller Offenheit über die Dinge zu reden, die den Konflikt ausgelöst haben, kann schon eine schwere Last von den Schultern nehmen.

Das ständige Hinterfragen – auch des eigenen Verhaltens – gehört dann nicht nur der Vergangenheit an, sondern hilft auch in der Zukunft weiter. Zwar können die im Mediationsverfahren besprochenen Vorwürfe, Anfeindungen oder Ärgernisse durchaus auch wehtun, aber für die eigene psychische Konstitution und Entwicklung ist Klarheit besser und wichtiger als das stete Drängen auf Harmonie.

Und auch dann, wenn auf der sachlichen Ebene eine Konfliktlösung herbeigeführt werden konnte, diese jedoch emotional nicht dem unbedingten Willen nach Harmonie entspricht, kann in Bezug auf das Mediationsverfahren von einem Erfolg gesprochen werden. Denn dann herrschen zumindest klare Verhältnisse ohne einen belastenden Konflikt. Die nach Harmonie suchende Partei bekommt vielleicht nicht die erwünschte harmonische Verbindung zur jeweils anderen; kann die vormals unangenehme Situation dennoch mental „abhaken“ – also für sich selbst verarbeiten und sich damit abfinden. Mit der Harmonie ist es wie so oft im Leben: es gehören immer (mindestens) zwei dazu!

Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie zuversichtlich!

Ihr Frank Hartung

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