Mediationsarten

Ablauf einer Mediation nach dem Harvard Konzept

Verhandlungen gehören zum Alltag; enden aber nicht selten in Streitereien, die einen Verhandlungsabbruch zur Folge haben. Statt emotional aufbrausend zu verhandeln, beschreitet das Harvard Konzept einen ganz anderen Weg. Gemeint ist damit ein eher sachbezogenes Verhandeln, das als bekanntes Projekt der Harvard-Universität in seinen Grundsätzen bei Mediationen angewendet wird. Und das große Ziel heißt Win-Win-Situation für beide Konfliktparteien.

Im Gegensatz zu vielen Kompromissen fühlt sich eine Win-Win-Situation nicht so an, als hätte eine Partei oder sogar beide etwas verloren oder widerwillig hergeben müssen. Ganz im Gegenteil fühlen sich alle Beteiligten mit einer Win-Win-Situation wohl und haben das Gefühl, eine gute Vereinbarung geschlossen zu haben. Und um genau dies zu erreichen, weichen die Abläufe einer Mediation nach dem Harvard Konzept auch von den anderen ab:

 

Vorbereitung der Verhandlung

Der erste Schritt in Richtung Harvard Verhandlung ist die Überprüfung, ob eigentlich eine Konfliktsituation vorliegt und ob die Konfliktparteien überhaupt zu einer Verhandlung bereit sind. Der Mediator fragt in Vorhinein, ob auf beiden Seiten Handlungsspielraum besteht und welche Alternativen infrage kommen. Er prüft die Erfolgschancen, um im Anschluss gemeinsam mit den Parteien das sogenannte „BATNA“ (Best Alternative to a Negotiated Agreement), also die beste Alternative im Falle einer Verhandlung ohne Einigkeit, zu erstellen.

Die Ausarbeitung des BATNA lässt beide Parteien tiefer in die Konfliktthematik eintauchen. Dank dieser Informationen stärken sie sich selbst in ihrer Verhandlungsposition und können sich Gedanken darüber machen, ob sie verhandeln möchten oder lieber aus der Verhandlung aussteigen. Für alle Konfliktbeteiligten macht es Sinn, durch das BATNA eine Alternative zu haben, falls die Verhandlungen scheitern.

 

Die vier Harvard-Prinzipien

Der weitere Verlauf einer Mediation nach dem Harvard Konzept richtet sich nach den vier Grundprinzipien der Verhandlungsmethode:

1. Mensch vom Problem trennen

Ein wichtiges Prinzip des Harvard Konzepts ist die Trennung der Personen der Konfliktverhandlung vom eigentlichen Verhandlungsproblem. Diesem Grundsatz liegt eine etablierte Kommunikationstechnik zugrunde – das Eisbergmodell. Nach dem Eisbergmodell wird die Kommunikation einerseits in eine Sachebene mit neutralen Fakten und Daten sowie andererseits in eine Beziehungsebene mit Wünschen, Gefühlen und Bedürfnissen unterteilt.

In der Kommunikation spielt die Beziehungsebene eine größere Rolle, als oft angenommen wird. Die Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern wirkt sich nämlich auch auf die Verhandlungssituation aus. Und da es bei Verhandlungen nach dem Harvard Konzept besonders wichtig ist, dass beide Ebenen getrennt voneinander betrachtet werden und die Einflüsse der emotionalen Ebene die sachliche Lage nicht betreffen, werden die Verhandlungen nach folgendem Schema geführt:

  • Zusammenstellen aller Themen, Fragen und Informationen auf der Sachebene
  • Zusammenstellen von zu erwartenden Problemen auf der Beziehungsebene
  • Erarbeiten von Lösungswegen auf beiden Ebenen

2. Bedürfnisse, Interessen und Wünsche ermitteln

Konfliktparteien nehmen in der Regel Positionen ein, die jedoch nach dem Harvard Konzept in den Hintergrund treten. In den Vordergrund treten die eigentlichen Interessen, Bedürfnisse und Wünsche.

An dieser Stelle wird immer wieder das Beispiel mit der Orange erwähnt:

Zwei Geschwister bitten ihren Vater um die eine Orange in der Obstschale. Der Vater könnte nun die Orange hälftig teilen und jedem Kind eine Hälfte überreichen, was einem klassischen Kompromiss gleichkommen würde. Der Vater fragt jedoch beide Kinder nach dem Grund, wofür sie die Orange benötigen. Während sich das eine Kind einen Saft daraus pressen möchte, will das andere Kind einen Kuchen backen, wofür es lediglich etwas Orangenschale benötigt. Die eigentlichen Interessen der Kinder bezogen sich also nur auf unterschiedliche Teile der Frucht und durch die Frage des Vaters konnte eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung (Win-Win) gefunden werden.

3. Entwicklung von Optionen

Wie das Beispiel mit der Orange demonstriert, muss zur Erreichung einer Win-Win-Situation nach Lösungsalternativen gesucht werden. Können mehrere Alternativen erarbeitet werden, haben beide Parteien später die Auswahl, welche Option für beide Seiten optimal ist.

4. Festlegung fairer Kriterien

Um ein Verhandlungsergebnis beurteilen zu können, werden faire und nachvollziehbare Kriterien benötigt. Diese Kriterien sollen verdeutlichen, warum welche Lösungsoption gewählt worden ist und warum sie für beide Parteien die richtige Option ist.

Die Fairness eines Verhandlungsergebnisses kann sich durch folgende Punkte äußern:

  • Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und Regelungen
  • Ergebnis entspricht einem Präzedenzfall
  • Ergebnis ist branchenüblich
  • Ergebnis entspricht den Qualitätsstandards

 

Das gilt es zu vermeiden

Auch Verhandlungen nach dem Harvard Konzept werden nur von Menschen geführt. Beziehungen und Emotionen machen es schwer, sich auf die Positionen zu fokussieren und alles andere auszublenden. Deshalb gelten oft grundsätzliche Kommunikationsregeln, auch wenn sie eigentlich selbstverständlich sein sollten:

  • Es dürfen keine „faulen Tricks“ angewendet werden
  • Die Verhandlungsparteien dürfen sich gegenseitig nicht unter Druck setzen
  • Missstimmungen müssen sofort angesprochen werden
  • Verhandlungsgespräche werden immer in einem sachlichen Tonfall geführt

 

 

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