Mediationsarten

Narrative Mediation: Wie funktioniert es, Ziele, Zielgruppen und Techniken

Narrative Mediation revolutioniert die traditionelle Konfliktlösung durch einen innovativen Ansatz, der auf der Macht des Geschichtenerzählens basiert. Diese postmoderne Mediationsmethode unterscheidet sich fundamental von herkömmlichen Verfahren, indem sie Konflikte als konkurrierende Narrative betrachtet, die durch gemeinsame Neukonstruktion von Geschichten gelöst werden können.

 

Theoretische Grundlagen und Funktionsweise der Narrative Mediation

Die Narrative Mediation entstand in den 1980er Jahren und hinterfragt traditionelle Annahmen über menschliche Motivation und Konfliktursachen. Sie basiert auf der Vorstellung, dass Menschen ihre Realität durch Geschichten konstruieren, die sie über Ereignisse und Beziehungen erzählen. Konflikte entstehen aus unterschiedlichen Erzählungen zu denselben Ereignissen. Sprache und Diskurs spielen dabei eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung und Reaktion auf Konflikte.

 

Ziele und Zielsetzungen der Narrative Mediation

  1. Das Hauptziel der Narrativen Mediation ist es, über reine Streitbeilegung hinaus eine tiefgreifende Transformation im Verständnis der Konfliktparteien von ihrem Konflikt und ihrer Beziehung zueinander zu erreichen. Der Ansatz hilft den Parteien, starre Schuldzuweisungen zu überwinden und ein differenzierteres Verständnis ihres Konflikts zu entwickeln.
  2. Narrative Mediation strebt den Erhalt und die Wiederherstellung von Beziehungen an und fördert neue Muster der Kommunikation und des Verständnisses.
  3. Zudem ermächtigt sie die Parteien, durch gemeinsames Umgestalten ihrer Geschichte, aktiv am Konfliktlösungsprozess teilzunehmen und Verantwortung für diesen und seine Ergebnisse zu übernehmen.

 

Zielgruppen und geeignete Konflikttypen

Narrative Mediation ist besonders wirksam bei Konflikten innerhalb langfristiger Beziehungen, wo die Beteiligten auch nach der Lösung weiterhin miteinander interagieren.

  1. Studien belegen, dass erfahrene narrative Mediatoren effektiv zur Lösung von Konflikten am Arbeitsplatz beitragen. Sie unterstützen dabei, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, Empathie zu fördern und konstruktive Gespräche zu führen.
  2. Familienkonflikte sind ein Hauptanwendungsbereich, besonders bei Scheidungen, Sorgerechtsstreitigkeiten, Pflegeentscheidungen und Problemen innerhalb der Großfamilie. Der Ansatz hilft Familien, die trotz Konflikten wegen Kindern, gemeinsamen Verpflichtungen oder Pflegebedürfnissen interagieren müssen.
  3. Streitigkeiten zwischen Nachbarn und in Gemeinschaften sind oft bei Problemen wie Lärmbelästigung, Grundstücksgrenzen, gemeinsam genutzten Ressourcen oder Entscheidungen relevant.

Narrative Mediation eignet sich nicht, wenn keine dauerhafte Beziehung zwischen den Parteien besteht und sie nur finanzielle oder rechtliche Lösungen suchen. Konflikte mit klaren Rechtsverletzungen, großen Machtungleichgewichten oder bei denen eine Partei nicht bereit ist, sich auf ehrliches Erzählen einzulassen, benötigen andere Mediationsmethoden.

 

Rolle und Funktion des narrativen Mediators

Narrative Mediatoren verwenden einen aktiveren Ansatz als traditionelle Mediatoren, indem sie ein Vertrauens-, Reflexivitäts-, Neugier- und Respektrahmenwerk aufbauen, um sichere Räume für den Austausch persönlicher Geschichten zu schaffen. Sie leiten die Parteien, um Konfliktnarrative zu dekonstruieren, Annahmen zu hinterfragen und mit Offenheit statt Verteidigung zu betrachten. Narrative Mediatoren anerkennen, dass vollständige Neutralität unmöglich ist und positionieren sich zu Themen wie Macht und Respekt.

 

Techniken und methodische Ansätze

Die Methodik der Narrative Mediation konzentriert sich auf zwei Kernprozesse, die zusammenarbeiten: Dekonstruktion und Externalisierung.

  1. Dekonstruktionsprozess
    Dekonstruktion in Konflikten bedeutet, die zugrundeliegenden Annahmen und Bedeutungen in Konfliktgeschichten zu hinterfragen. Durch diesen Ansatz sollen die Gewissheiten, die einen Konflikt aufrechterhalten, erschüttert und eine neue Sichtweise eröffnet werden.

  2. Externalisierungstechniken
    Externalisierung ist ein Ansatz, bei dem Probleme von den Personen getrennt werden, um Konflikte objektiv zu betrachten und nicht als Ausdruck von Charakterfehlern oder persönlichen Differenzen.

  3. Dreiphasiger Prozess
    Der narrative Mediationsprozess entfaltet sich typischerweise durch drei unterschiedliche, aber miteinander verbundene Phasen:
    • Engagement-Phase: Aufbau von Rapport und Einladung zum Erzählen der Konfliktgeschichte.
    • Dekonstruktions-Phase: Systematische Analyse der Geschichten zur Identifikation von Annahmen und alternativen Verständnissen.
    • Rekonstruktions-Phase: Gemeinsame Entwicklung neuer Geschichten, die zu verbesserten Beziehungen führen.

 

Unterschiede zu anderen Mediationsformen

  1. Vergleich mit facilitativer Mediation
    Narrative Mediation unterscheidet sich von der facilitativen Mediation, indem sie die Existenz vorbestimmter Parteiinteressen hinterfragt. Während die facilitative Mediation zum Ziel hat, zugrundeliegende Interessen herauszuarbeiten und zu überbrücken, zweifelt die narrative Mediation an, dass diese tatsächlich feststehen.
  2. Abgrenzung zur evaluativen Mediation
    Evaluative Mediation fokussiert auf die Beurteilung der rechtlichen Stärken der Parteienpositionen und nutzt Expertenmeinungen, um zu einer Einigung zu ermutigen. Narrative Mediation vermeidet hingegen die Bewertung der Positionen der Parteien.
  3. Gemeinsamkeiten mit transformativer Mediation
    Transformative Mediation und Narrative Mediation legen ihren Schwerpunkt auf die Veränderung von Beziehungen und das Empowerment der Parteien, unterscheiden sich aber deutlich in ihrer Methodik und der Rolle des Mediators. Beide Ansätze streben mehr nach Beziehungswandel als nur nach einfachen Einigungen und unterstützen die Parteien dabei, eigene Entscheidungen zu treffen.

 

Vorteile und Wirksamkeitsnachweis

Studien zeigen, dass Narrative Mediation effektiv ist, um sowohl Lösungen als auch Beziehungen zu verbessern. Eine Untersuchung der University of Kansas ergab, dass Geschichtenerzählen zu 65% besserer Zusammenarbeit bei Problemlösungen führt als ein rein faktenbasierter Ansatz. Die University of Toronto stellte fest, dass 78% der Teilnehmer mehr Verständnis für die Gegenseite entwickelten nach dem Hören persönlicher Geschichten. Narrative Mediation führt oft zu dauerhafteren Lösungen, da sie die Rekonstruktion von Geschichten und die Transformation von Beziehungen betont, was den Parteien hilft, neue Rahmenbedingungen für ihre Interaktionen zu entwickeln.

 

Herausforderungen und Limitationen

Die Narrative Mediation hat dokumentierte Vorteile, aber auch erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung, die ihre Wirksamkeit und Verfügbarkeit einschränken können. Zu diesen Herausforderungen gehören

  • spezialisierte Ausbildungsanforderungen für Mediatoren, die eine breite Anwendung erschweren und
  • der Zeitbedarf für den Prozess, der größer ist als bei anderen Ansätzen.
  • Kulturelle und sprachliche Barrieren können die Effektivität bei diversen Bevölkerungsgruppen beschränken.
  • Außerdem erfordert die emotionale Intensität des Verfahrens ein sorgfältiges Management von allen Beteiligten.

 

Rechtliche Aspekte und regulatorische Überlegungen

  1. Narrative Mediation unterliegt den gleichen Vertraulichkeitsschutzmaßnahmen wie andere Mediationsformen, hat jedoch aufgrund des Fokus auf Geschichtskonstruktion besondere Aspekte.
  2. Berufshaftungsüberlegungen für narrative Mediatoren unterscheiden sich, da sie aktiver an der Gestaltung von Geschichten beteiligt sind.
  3. Ethikrichtlinien für Narrative Mediation sind noch in Entwicklung und zeigen Spannungen zwischen traditioneller Neutralität und dem positionierten Ansatz dieser Mediationsform.

 

Handlungsempfehlungen und bewährte Praktiken

  1. Organisationen sollten eine gründliche Bedarfsanalyse durchführen, um festzustellen, ob Narrative Mediation zu ihren Konflikten und Fähigkeiten passt.
  2. Die Auswahl und Ausbildung von Mediatoren ist entscheidend für den Erfolg.
  3. Es sind Qualitätssicherungssysteme notwendig, die Supervision und Weiterbildung beinhalten.
  4. Pilotprogramme mit Evaluation sind ratsam, um Erfahrungen zu sammeln und Risiken sowie Ressourceneinsatz zu minimieren.

 

Häufige Fragen kurz erklärt

Wie unterscheidet sich die narrative Mediation von anderen Mediationsverfahren?
Im Gegensatz zu anderen Mediationsverfahren, die sich auf die Suche nach objektiven Lösungen konzentrieren, legt die narrative Mediation den Fokus auf die individuellen Erzählungen und Erfahrungen der Konfliktparteien.

Welche Rolle spielt der Mediator in der narrativen Mediation?
Der Mediator in der narrativen Mediation fungiert als neutraler Begleiter, der die Kommunikation zwischen den Parteien fördert und sie dabei unterstützt, ihre Geschichten zu teilen und gemeinsam eine Lösung zu finden.

Wie lange dauert eine narrative Mediation in der Regel?
Die Dauer einer narrativen Mediation hängt von der Komplexität des Konflikts und der Bereitschaft der Parteien ab, sich auf den Prozess einzulassen. In der Regel dauert sie jedoch mehrere Sitzungen, die jeweils mehrere Stunden dauern können.

Wer kann eine narrative Mediation in Anspruch nehmen?
Grundsätzlich können alle Konfliktparteien, die bereit sind, ihre Geschichten zu teilen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, eine narrative Mediation in Anspruch nehmen. Dies können beispielsweise Familienmitglieder, Kollegen oder Geschäftspartner sein.

Gibt es auch Nachteile bei der Anwendung von narrativer Mediation?
Wie bei allen Mediationsverfahren gibt es auch bei der narrativen Mediation keine Garantie für eine erfolgreiche Konfliktlösung. Zudem kann es für manche Menschen schwierig sein, ihre persönlichen Geschichten und Emotionen zu teilen.

Wie läuft eine narrative Mediation typischerweise ab?
In der Regel beginnt eine narrative Mediation mit einem Vorgespräch, in dem der Mediator die Konfliktparteien näher kennenlernt. Anschließend folgen mehrere Sitzungen, in denen die Parteien ihre Geschichten erzählen und gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Kann eine narrative Mediation auch in Kombination mit anderen Mediationsverfahren angewendet werden?
Ja, je nach Bedarf und Komplexität des Konflikts kann die narrative Mediation auch mit anderen Mediationsverfahren kombiniert werden, um eine bestmögliche Lösung zu erarbeiten.

Wie wichtig ist Vertraulichkeit in der narrativen Mediation?
Vertraulichkeit spielt eine entscheidende Rolle in der narrativen Mediation, da die Konfliktparteien ihre persönlichen Geschichten und Emotionen teilen. Der Mediator ist dazu verpflichtet, die Vertraulichkeit zu wahren.

Wie kann man sich auf eine narrative Mediation vorbereiten?
Eine Vorbereitung auf die narrative Mediation ist nicht notwendig. Es ist jedoch hilfreich, sich auf die Sitzungen vorzubereiten, indem man sich Gedanken über die eigenen Bedürfnisse und Ziele macht, die man in der Mediation erreichen möchte.

 

Fazit

narrative MediationDie narrative Mediation ist eine bedeutende Neuerung in der Konfliktlösung und bietet Vorteile für die Lösung relationaler Konflikte sowie nachhaltige Ergebnisse. Der Ansatz basiert auf postmoderner Theorie, betont die Rekonstruktion von Geschichten und hilft, über konfrontative Positionen hinauszugehen und kooperative Beziehungen zu entwickeln.  Allerdings ist narrative Mediation theoretisch anspruchsvoll und praktisch komplex, was spezielle Schulungen, längere Zeiträume und ein Bewusstsein für kulturelle Unterschiede voraussetzt.
Studien belegen, dass dieser Ansatz zu signifikanten Verbesserungen in der kollaborativen Problemlösung und Empathie führt und effektiver als traditionelle Methoden sein kann. Narrative Mediation verspricht daher für Praktiker und Organisationen, die sich transformativen Konfliktlösungsansätzen verschreiben, weitreichende Ergebnisse.

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