Mediationsarten

Mediationsarten und Mediationsmodelle

So wie Konflikt nicht gleich Konflikt ist, ist Mediation nicht gleich Mediation. Der jedem Mediationsverfahren zugrundeliegende Kommunikationsmodell ermöglicht Abweichungen, über die sich ein kompetenter Mediator bewusst ist. Jede Mediation bewegt sich zwischen Anwendungen des Rechts und Psychotherapie, je nachdem, welche Mediationsart der Mediator im individuellen Konflikt wählt und wo er den Schwerpunkt setzt. Es gibt also viele verschiedene Verfahren, eine Mediation durchzuführen.

An dieser Stelle sollen die geläufigsten Mediationsarten kurz vorgestellt werden:

Die evaluative Mediation

Die evaluative Mediation kommt dem juristischen Procedere sehr nah. Evaluativ bedeutet werten, weshalb bei diesem Mediationsverfahren die Einflussnahme durch den Mediator verstärkt wird. Wie in einem Gerichtsverfahren unterstützt er dabei die Parteien, ihre Argumentation sach- und fachgerecht vorzubringen, weist auf Schwachpunkte hin und kann auch Empfehlungen bezüglich des Mediationsergebnisses aussprechen. Die Bewertung des Konfliktinhaltes und die Lösungsfindung obliegt in der Mediation jedoch grundsätzlich den Parteien. Der Mediator orientiert sich bei der evaluativen Mediation an der Rechtslage. Evaluative Mediationen ähneln Vergleichsverhandlungen, wie sie auch vor Gericht stattfinden. Es geht darum, rechtliche Probleme zu beurteilen, die in einem Konflikt um vertragliche oder kommerzielle Angelegenheiten bestehen.

 

Die facilitative Mediation

Bei der facilitativen Mediation handelt es sich um den Ursprung aller Mediationen, wie sie Anfang des letzten Jahrhunderts in den USA aufgekommen ist. Facilitativ bedeutet vereinfachen. Der Mediator hilft wie ein Moderator oder Vermittler dabei, Gespräche zu gestalten und Probleme effektiv zu lösen. Bei der facilitativen Mediation strukturiert der Mediator einen Prozess, um die Beteiligten zu unterstützen, ein Ergebnis zu erzielen, welches wechselseitig akzeptiert werden kann. Dabei moderiert der Mediator die Mediationsgespräche so, dass die Parteien ihre Sichtweisen darstellen und ihre Interessen bekunden können, damit sie später darauf basierende Lösungen erarbeiten. Vom Mediator selbst kommen keine Empfehlungen oder Vorschläge zur Konfliktlösung. Dies sollen die Beteiligten auf Basis der ausgetauschten Informationen und dem wachsenden Verständnis füreinander selbst erwirken. Die facilitative Mediation eignet sich insbesondere für Konfliktlösungen auf einer sachlichen, intellektuellen Dimension.

 

Das Harvard Konzept

Beim Harvard Konzept handelt es sich um die bekannteste Weise, Verhandlungen praktisch zu durchdenken sowie durchzuführen. Nahezu jede Mediationsart geht auf das Harvard Konzept zurück. Seine Wurzeln hat das Harvard Konzept in Verhandlungsstudien, die in der diplomatischen Krise bei israelisch-palästinensischen Verhandlungen im Jahr 1978 von Jimmy Carter im Camp David etabliert wurden. Grundsatz des Harvard Konzepts ist die Wahrnehmung von Verhandlungen als alltägliche Handlung, bei denen generell eine Einigung erzielt werden muss oder ein negatives Ergebnis droht, sodass Kompromisse als erstrebenswert erscheinen. Kann ein Kompromiss nicht gefunden werden, wird oft auf Härte und Unnachgiebigkeit gesetzt. Mit dem Harvard-Konzept wird eine dritte Alternative angeboten, die eine Entschlossenheit bezüglich des Konflikts mit der Sensibilität gegenüber der anderen Partei verbindet. Das Harvard-Konzept bietet Platz für sachbezogene Verhandlungen sowie ökonomische Realitäten, aus denen durch konstruktive Lösungen eine Win-Win-Situationen kreiert werden kann.
Voraussetzungen für Mediationen nach dem Harvard Prinzip ist die getrennte Behandlung der Parteien selbst und ihrer Interessen sowie die Konzentration auf die Interessen und nicht auf die Positionen der Parteien. In den sachlich geführten Verhandlungsgesprächen sollen nach Abwägung objektiver Beurteilungskriterien Entscheidungsoptionen zur Auswahl erarbeitet werden.

 

Die integrierte Mediation

Die integrierte Mediation ist seit 1996 in Deutschland bekannt und wendet ihren Blick auf die logische Problembewältigung durch die Parteien. Das integrierte Mediationsverfahren passt sich den Bedürfnissen der Beteiligten an, weshalb sie als besonders kundenorientiert empfunden wird. Der Mediator führt die Parteien durch die Mediationsgespräche, in denen die Beteiligten jeweils Kenntnis und Erkenntnis für die Probleme des anderen entwickeln. Das integrierte Verfahren ist eine allumfassende, auf der Gesamtheitstheorie basierende Sichtweise auf die Mediation sowie eine Ausrichtung innerhalb der Mediation. Innerhalb der Mediationsgespräche kann der Mediator auch andere Formen der Mediation wählen und miteinbeziehen.

 

Die Klärungshilfe

Bei der Klärungshilfe handelt es sich um eine eigenständige Methode aus dem Bereich der Mediation. Der Klärungshelfer „klärt“ während der Klärungshilfe Fakten und Emotionen, damit der Weg zu einer Konfliktlösung geebnet werden kann. Bei der Klärungshilfe geht es um Klarheit und Wahrheit, weshalb ein geregelter Ablauf für die notwendige Struktur sorgt. Da Konflikte nahezu immer mit negativen Gefühlen wie Angst, Wut, Hilflosigkeit, Ärger und Unverständnis einhergehen, ist es bei der Klärungshilfe wichtig, dass diese Emotionen zum besseren Verständnis thematisiert werden. Der Klärungshelfer agiert bei der Klärungshilfe völlig unvoreingenommen, weshalb auch im Vorhinein keine Einzelgespräche geführt werden. Im Gegensatz zu anderen Arten der Mediation gibt es bei der Klärungshilfe auch keine Gesprächsregeln. Und wenn die Klärungshilfe im Rahmen von innerbetrieblichen Konflikten eingesetzt wird, kann es auch sein, dass die Teilnahme daran auch unfreiwillig – nämlich auf Anweisung von Vorgesetzten – geschieht.

 

Die lösungsorientierte Mediation

In der Regel unterscheidet sich der Kontext für eine Konfliktlösung grundsätzlich vom Problemkontext. Dies ist abhängig von den unterschiedlichen Kompetenzen, Wahrnehmungsperspektiven und Wertvorstellungen der Konfliktparteien. Die lösungsorientierte Mediation fokussiert sich daher nach einer angemessenen Würdigung der Konfliktwahrnehmung recht früh auf die Konfliktlösung. Schon nach einer kurzen Zeit sind die Parteien in der Lage, Ideen zu möglichen Konfliktlösungen zu entwickeln. Die lösungsorientierte Mediation kombiniert also eine effektive und regelmäßig knapp bemessene Mediationsdauer mit einer hohen Zufriedenheit bei beiden Konfliktparteien. Der Mediator orientiert sich bei dieser Mediationsart weniger an der Entstehung des eigentlichen Konflikts, sondern eher an der Definition sowie dem Beschreiben möglicher Lösungswege. Hierzu nutzt er spezielle Frage- und Kommunikationstechniken, die die Konfliktparteien bei der Lösungsfindung unterstützen. Zudem werden beide Parteien in ihrem Glauben bestärkt, dass es auch bei scheinbar ausweglosen Konflikten Lösungen gibt, sie selbst in der Lage der Lösungsentwicklung und Lösungsfindung sind und nicht zuletzt auch die Fähigkeit innehaben, diese Lösung auch umzusetzen.

 

Die Moderation

Die Moderation gehört zu den Verfahrensvarianten der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch die Hilfe eines Moderators. Eine Moderation wird sowohl präventiv zur Vorbeugung von Streitigkeiten als auch bei bereits vorhandenen Konflikten eher sachlicher Natur eingesetzt. Der Moderator hat als neutraler Dritte die Aufgabe, die Parteien bei ihren Verhandlungen zu unterstützen. Er leitet die Verhandlungen, gewährleistet eine ausgeglichene Verhandlungsführung und hilft aktiv mit, die Kommunikation zwischen den Parteien zu verbessern. Dies, nämlich die Förderung und Unterstützung bei der Kommunikation, ist auch das Ziel der Moderation. Eine Moderation ist angezeigt, wenn Konfliktsituationen kaum emotional belastet sind; sich also auf sachliche Interessen beschränken. Im Gegensatz zur klassischen Mediation werden bei der Moderation die Interessen und Positionen betrachtet, um zu einer Konfliktlösung zu gelangen. Sind die Konfliktparteien jedoch gefühlsmäßig so stark eingebunden, dass sie nicht vernünftig miteinander kommunizieren können und Situationen bereits eskaliert sind, kann hingegen eher die klassische Mediation empfohlen werden.

 

Die narrative Mediation

Die narrative – also erzählerische - Mediation wurde in den 80er Jahren in Australien entwickelt und folgt dem Grundsatz der Konfliktlösung durch das Verändern von Sichtweisen und daraus resultierende Erkenntnisprozesse. Bei der narrativen Mediation gibt es keine „eine Wahrheit“, auf die sich verständigt werden muss. Die Parteien erzählen wie in einer Geschichte von Problemen und Konflikten. Der Mediator entzieht sich jeglicher Bewertung, sondern unterstützt die Beteiligten durch eine gezielte Kommunikationsführung zum Umdenken und Hineinversetzen in die jeweils andere Partei. Durch das Zuhören können die Parteien die Auswirkungen des Konflikts ermessen, wodurch Raum für gegenseitiges Verständnis geschaffen wird. Dieses Verständnis füreinander ist wiederum Bedingung dafür, dass eine erfolgreiche und alle Parteien befriedigende Lösung herbeigeführt werden kann.

 

Die Shuttlemediation

Bei der auch Telefonmediation oder Pendelmediation genannten Shuttlemediation sind im Gegensatz zum klassischen Mediationsverfahren nicht alle Parteien anwesend. In allen Einzelphasen der Mediation erfolgt die Kommunikation und der Austausch der Medianden über den Mediator als Vermittler. In der Shuttlemediation werden zu diesem Zweck Medien wie Telefon, Internet und E-Mails genutzt. Nicht zu verwechseln ist die Shuttlemediation mit der Onlinemediation, bei der alle Mediationsteilnehmer gleichzeitig mittels Video- und Audio-Übertragungen verhandeln und somit eine unmittelbare Kommunikation über Onlineportale erfolgt. In der Shuttlemediation nimmt der Mediator nacheinander Kontakt zu den Medianden auf, vermittelt Informationen und führt vermittelnd Schritt für Schritt durch die Mediation, bei der die Medianden keinen direkten Kontakt miteinander haben. Durch den Wegfall von logistischen und organisatorischen Hindernissen sowie emotionalen Diskrepanzen oder Machtgefällen wird die Shuttlemediation bevorzugt von regional weit entfernten oder emotional belasteten Medianden gewählt.

 

Die Stellvertretermediation

An einer Stellvertretermediation nehmen zwei Mediatoren teil. Ein Mediator ist für die klassischen Mediationsprozesse zuständig, während der andere Mediator als Stellvertreter eine Konfliktpartei vertritt. Die Konfliktparteien treffen bei einer Stellvertretermediation also nicht unmittelbar aufeinander, was beispielsweise bei Trennungs- oder Scheidungskonflikten von Vorteil sein kann. Die anwesende Partei nimmt das Mediationsverfahren demnach als „abgesichert“ wahr, da sie keine direkte Konfrontation zu erwarten hat. Die anwesende Partei erhält auf diese Weise während des Verfahrens Gelegenheit, den Eigenanteil am Konflikt nachzuvollziehen und lernt, sich in die Sicht der anderen Partei hineinzuversetzen. Nicht selten ebnen Stellvertretermediationen den Weg in das normale Mediationsverfahren, da im Vorfeld bereits an den Interessen und Bedürfnissen der Parteien gearbeitet worden ist und komplexe Sachverhalte geklärt werden konnten.

 

Die systemische Mediation

Bei der systemischen Mediation werden Konflikte in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang betrachtet, um neue Regeln zu gestalten und Räume für Konfliktlösungen zu kreieren. Unterschieden wird in der systemischen Mediation zwischen aktuellen, sich auf einen bestimmten Bereich beziehenden Konflikten und sogenannten Konfliktmustern. Konfliktmuster werden häufig von Emotionen dominiert, halten sich dadurch eigenständig aufrecht und treten in Wellen oder Schüben auf. Zu finden sind derartige Konfliktmuster in Beziehungen mit hoher Intimität wie etwa zwischen Partnern, Paaren und Familienangehörigen. In diesen Verbindungen läuft die Kommunikation im Konfliktfall häufig gleich ab, während die Anlässe für die Situation unterschiedlich sein können.
In aktuelle Konflikte kann der Mediator durch strategische Gesprächsführung leicht intervenieren. Bei Konfliktmustern erfordert dies hingegen ein systemisches Vorgehen, da sich Konfliktlösungen nur durch eine übergeordnete Sichtweise erarbeiten lassen. In systemischen und lösungsorientierten Mediationsgesprächen arbeiten die Mediatoren mit der Gestaltung von Visionen, Rollen und Regeln. Sie lenken die Parteien von gewohnten Handlungs- oder Denkmustern ab, um den Raum für das Eingestehen von Fehlern, das Querdenken und den Nutzen aus fehlender Effektivität zuzulassen. Die systemische Mediation bietet den Parteien eine Basis für kreative Neugestaltungen, um den Konflikt zu lösen.

 

Die transformative Mediation

Die transformative - also umformende oder umgestaltende - Mediation setzt auf die individuellen Fähigkeiten der streitenden Parteien. In Anlehnung an Gandhis Weisheit „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt“ werden die Parteien durch den Mediator dabei bestärkt, ihre Fähigkeiten zu verstärken und auch davon Gebrauch zu machen. Dadurch werden die Konfliktparteien in die Lage versetzt, ihren eigenen Konfliktanteil zu erkennen und die Emotionen sowie Bedürfnisse der anderen Partei zu verstehen, um dann den Konflikt letztendlich umzuwandeln (zu transformieren). Durch den ehemaligen Konflikt wird eine Quelle der Erkenntnis und Kraft, die soziale Weiterentwicklung und persönliches Wachstum ermöglicht.
Die transformative Mediation hat darüber hinaus einen erzieherischen Aspekt, wenn der Konflikt als ein Ausdruck von Abhängigkeit gewertet werden kann. Im Rahmen der Mediationsgespräche wird erläutert, wie sich die Parteien aus der Abhängigkeit befreien können, was einem pädagogischen Lernprozess mit Erkenntnisgewinn gleichkommt.

 

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