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Vertraulichkeit in der Mediation: Rechtliche Grundlagen, Gewährleistung und praktische Umsetzung

Die Vertraulichkeit in der Mediation bildet das fundamentale Rückgrat erfolgreicher außergerichtlicher Streitbeilegung und unterscheidet Mediationsverfahren grundlegend von öffentlichen Gerichtsverfahren. Vertraulichkeit in der Mediation schafft einen geschützten Raum, in dem Konfliktparteien offen kommunizieren können, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Äußerungen später gegen sie verwendet werden. 

 

Rechtliche Grundlagen und Definition der Vertraulichkeit in der Mediation

  1. Gesetzliche Verankerung im deutschen Mediationsgesetz

    Das deutsche Mediationsgesetz definiert Mediation  in § 1 Abs. 1 MediationsG  als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien gemeinsam und eigenverantwortlich mit Hilfe von Mediatoren eine Lösung für ihren Konflikt suchen. Diskretion ist dabei ein wesentliches Element, das Mediation von öffentlichen Verfahren wie Gerichtsverhandlungen unterscheidet und sowohl als Schutz als auch als charakteristisches Merkmal dient.

  2. EU-Mediationsrichtlinie als übergeordneter Rechtsrahmen

    Die EU-Mediationsrichtlinie 2008/52/EG verlangt von Mitgliedstaaten, Vertraulichkeit in Mediationsverfahren zu gewährleisten. Sie schützt sensible Informationen und verbietet die Zwangsoffenlegung von Mediationsergebnissen. Der zweite Absatz von Artikel 7 der EU-Mediationsrichtlinie erlaubt Mitgliedstaaten, strengere Geheimhaltungsvorschriften einführen.

  3. Verfassungsrechtliche und systematische Einordnung

    Die Vertraulichkeit in der Mediation stimmt mit verfassungsrechtlichen Vorgaben überein, solange sie freiwillig ist und Schutzmaßnahmen bestehen. Das Zeugnisverweigerungsrecht der Mediatoren nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sichert die Vertraulichkeit zusätzlich ab.

 

Umfang und Grenzen der Vertraulichkeitspflichten

  1. Persönlicher Anwendungsbereich

    Die gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten im Mediationsprozess sind in § 4 MediationsG definiert und gelten für den Mediator und alle beteiligten Personen wie Co-Mediatoren, Supervisoren, Dolmetscher und Verwaltungskräfte. Die Mediationsparteien selbst sind davon ausgenommen, was von Experten kritisiert wird. In der Praxis werden diese Lücken durch Verschwiegenheitsvereinbarungen zwischen allen Beteiligten geschlossen.

  2. Sachlicher Anwendungsbereich und Informationsarten
    Der sachliche Umfang der Verschwiegenheitspflicht in der Mediation schließt alle Informationen ein, die während der beruflichen Tätigkeit bekannt werden. Dies betrifft sowohl gesprochene Worte als auch Schriftstücke, nonverbale Kommunikation und Eindrücke. Sie gilt auch für die Tatsache der Mediation selbst und die Identität der Teilnehmer, außer es wurde anders vereinbart. Einzelgespräche in Mediationen erfordern besondere Vertraulichkeit. Mediatoren müssen klären, welche Informationen aus diesen Gesprächen vertraulich bleiben und was mit Zustimmung der Parteien weitergegeben werden darf.

 

Verantwortlichkeiten und Pflichten der Beteiligten

  1. Primäre Verantwortung der Mediatoren
    Die Hauptverantwortung für die Geheimhaltung liegt beim Mediator. Nach dem Mediationsgesetz muss der Mediator die Parteien über die Vertraulichkeitsregeln aufklären, einschließlich deren Grenzen und Ausnahmen. Mediatoren müssen organisatorische und technische Maßnahmen ergreifen, um die Vertraulichkeit zu schützen, wie die sichere Aufbewahrung von Dokumenten und verschlüsselte Kommunikation. Bei Online-Mediationen sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich.

  2. Berufsrechtliche Zusatzverpflichtungen
    Mediatoren, die auch in anderen regulierten Berufen wie Juristen oder Psychologen tätig sind, müssen besondere Geheimhaltungspflichten beachten. Der § 203 StGB regelt die Strafbarkeit für die unbefugte Weitergabe von Geheimnissen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat Richtlinien für Anwälte als Mediatoren herausgegeben, die betonen, dass die anwaltliche Schweigepflicht auch in der Mediation gilt und strenger sein kann als die mediationsrechtlichen Standards.

  3. Organisatorische Verantwortung und Qualitätssicherung
    Mediationsorganisationen tragen große Verantwortung bei der Etablierung von Vertraulichkeitsstandards. Der Bundesverband Mediation hat ethische Richtlinien entwickelt, die über gesetzliche Anforderungen hinausgehen. Seit 2017 gibt es ein Zertifizierungsprogramm für Mediatoren mit 120 Stunden Ausbildung, Weiterbildung und Supervision, das auch Schulungen zu Vertraulichkeit und Ethik umfasst, um den Schutz der Vertraulichkeit zu professionalisieren.

 

Gewährleistung der Vertraulichkeit: Mechanismen und Instrumente

  1. Vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen
    Um den Schutz der Vertraulichkeit in einer Mediation zu gewährleisten, sind umfangreiche Verträge essentiell. Sie ergänzen gesetzliche Geheimhaltungspflichten, indem sie Verschwiegenheit auch für die teilnehmenden Parteien vorschreiben und den Umgang mit Informationen aus der Mediation für zukünftige Verfahren regeln. Standardvertraulichkeitsabkommen definieren alle vertraulichen Daten und Kommunikationen im Mediationsprozess und setzen klare Regeln für die Weitergabe dieser Informationen an Dritte, einschließlich Familienmitglieder, Geschäftspartner oder Rechtsberater.

  2. Verfahrenstechnische Schutzmaßnahmen
    Um die Vertraulichkeit während der Mediation rigoros zu schützen, müssen Mediatoren auf technische Details achten. Dazu gehören vorsichtiger Umgang mit Dokumenten, Einschränkungen bei der Notiznahme, sowie klare Richtlinien für die Weitergabe von Daten. Es ist wichtig, Regeln für das Management, die Lagerung und die Vernichtung von vertraulichen Materialien zu haben, wobei sowohl die physische als auch die elektronische Sicherheit berücksichtigt werden müssen, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung von digitalen Plattformen und Cloud-Systemen.

  3. Technologische und digitale Vertraulichkeitsmaßnahmen
    Die durch COVID-19 beschleunigte Zunahme digitaler Mediation hat zu neuen Herausforderungen und Chancen für den Schutz der Vertraulichkeit geführt. Entscheidend sind die Auswahl der Plattform, die Konfiguration von Sicherheitseinstellungen und Datenschutzmaßnahmen. Moderne Mediationsplattformen bieten Sicherheitsfeatures wie End-zu-End-Verschlüsselung und Authentifizierungsprotokolle, um unbefugte Einsicht und Teilnahme zu verhindern. Spezialfunktionen wie sichere Breakout-Räume und verschlüsselter Dokumentenaustausch werden zunehmend integriert.

 

Konsequenzen bei Verletzung der Vertraulichkeit

  1. Zivilrechtliche und vertragliche Rechtsbehelfe
    Bei Verstößen gegen Geheimhaltungsabkommen in Mediationen folgen meist zivilrechtliche Konsequenzen. Typische Maßnahmen sind einstweilige Verfügungen, Schadensersatz und festgelegte Strafen. Die Schadensermittlung kann schwierig sein, da finanzielle und immaterielle Verluste oft schwer zu beziffern sind. Manche Abkommen enthalten Pauschalbeträge als Strafe für Vertraulichkeitsverletzungen.

  2. Berufsrechtliche und ethische Sanktionen
    Wenn Mediatoren ihre Vertraulichkeitspflicht verletzen, drohen ihnen berufsrechtliche Konsequenzen wie Verwarnungen, Weiterbildungsauflagen bis hin zu Suspendierungen oder Entzug der Zertifikate. Die Schwere der Sanktionen hängt vom Ausmaß des Verstoßes ab. Mediationsorganisationen haben Ethikrichtlinien, die Verstöße mittels Untersuchungen und Anhörungen regeln, um professionelle Standards zu wahren.

  3. Strafrechtliche Konsequenzen
    Bei bestimmten Regelverstößen in der Mediation kann es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen. Dies betrifft den Schutz von Berufsgeheimnissen und medienspezifische Vorschriften. Paragraph 203 des Strafgesetzbuches sieht Strafen für das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen vor, was auch Mediatoren aus den Bereichen Recht, Psychologie oder Sozialarbeit einschließen kann.

  4. Beweis- und verfahrensrechtliche Konsequenzen
    Gerichte schützen die Vertraulichkeit in Mediationsprozessen strikt, indem sie unzulässig offenbarte Informationen von der Verwendung in Gerichtsverfahren ausschließen. Dies gilt unabhängig von der Relevanz der Informationen. Nur in Ausnahmefällen dürfen Inhalte aus Mediationsgesprächen verwendet werden, beispielsweise zur Durchsetzung von Mediationsabkommen oder zum Schutz öffentlicher Interessen. Der Ausschluss von Mediationsdaten hat eine korrigierende und abschreckende Funktion, um die Vertraulichkeit zu wahren und taktische Vorteile in Gerichtsprozessen zu verhindern. Gerichte können außerdem Strafen gegen diejenigen verhängen, die vertrauliche Mediationsinformationen missbrauchen.

 

 Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht

  1. Öffentliche Ordnung und Sicherheitsausnahmen

    Wichtige Ausnahmen der Vertraulichkeit in der Mediation bestehen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere zum Schutz gefährdeter Personen und zur Verhinderung schwerer Schäden. Das deutsche Mediationsgesetz erlaubt ein Aufheben der Vertraulichkeit bei zwingenden Gründen der öffentlichen Ordnung, beispielsweise zur Gefahrenabwehr für das Kindeswohl. Misshandlung oder Vernachlässigung von Kindern müssen von Mediatoren den Behörden gemeldet werden, trotz Verschwiegenheitspflicht. Die Anforderungen hierzu variieren je nach Rechtslage und Qualifikation des Mediators.

  2. Durchsetzungs- und Implementierungsausnahmen

    Das deutsche Mediationsgesetz erlaubt die Offenlegung von Inhalten aus Mediationsabkommen, wenn dies für deren Umsetzung oder Durchsetzung notwendig ist. Dies soll sicherstellen, dass die Vertraulichkeit die Parteien nicht daran hindert, ihre Vereinbarungen gerichtlich durchzusetzen oder Streitigkeiten über deren Auslegung zu klären. Die Durchsetzungsausnahme beschränkt sich auf die endgültigen Bedingungen der Abkommen und schließt die Verhandlungen, die zu diesen geführt haben, aus, um die Vertraulichkeit des Mediationsprozesses zu wahren und gleichzeitig die rechtliche Durchsetzung zu ermöglichen.

  3. Offenkundige Tatsachen und Vorwissensausnahmen

    Der Schutz der Vertraulichkeit in der Mediation in Deutschland schließt allgemein bekannte Informationen oder solche, die die Parteien bereits unabhängig kannten, nicht ein. Es geht dabei um Fakten, die offensichtlich sind oder keine Geheimhaltung erfordern. Diese Regelung verhindert, dass Vertraulichkeit missbraucht wird, um Informationen zu verstecken, bei denen kein Anspruch auf Geheimhaltung besteht. Informationen, die nach einer Mediation öffentlich werden, bleiben dennoch geschützt, solange sie spezifisch im Rahmen der Mediation offengelegt wurden.

  4. Verzichts- und Zustimmungsausnahmen

    In der Mediation ist der Schutz der Vertraulichkeit flexibel und kann durch gegenseitige oder einseitige Vereinbarung aufgehoben werden. Dies kann ausdrücklich oder stillschweigend geschehen. Für einen wirksamen Verzicht müssen alle interessierten Parteien zustimmen. Es ist wichtig, den Umfang des Verzichts genau zu definieren, um ungewollte Informationspreisgaben zu vermeiden.

 

Risikofaktoren und potenzielle adverse Konsequenzen

Vertrauliche Mediation hat zwar Vorteile, birgt aber auch Risiken wie das Machtungleichgewicht zwischen den Parteien und den möglichen Missbrauch von Informationen. Mediatoren können außerdem professionelle Risiken wie Haftungsfragen oder Rufschädigung erleiden, wobei der Schutz durch Berufshaftpflichtversicherungen oft begrenzt ist.


Fazit

Vertraulichkeit in der Mediation

Die Untersuchung zeigt, dass die Geheimhaltung in der Mediation essenziell ist und sich mit den rechtlichen, technologischen und wirtschaftlichen Veränderungen entwickelt. Vertraulichkeit wird weltweit anerkannt, aber es gibt Herausforderungen bei deren Schutz. Der deutsche Rechtsrahmen bietet durch das Mediationsgesetz Schutz für die Vertraulichkeit. Digitale Mediationsplattformen bringen neue Chancen und Risiken für die Geheimhaltung. Datenschutz und Cybersicherheit bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit.

Vertraulichkeit bleibt ein zentraler Aspekt der Mediation, aber die Schutzmechanismen und Verpflichtungen werden sich weiterhin verändern.

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