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7 Minuten Lesezeit (1457 Worte)

Schwere Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung überstehen

Liebe Leserinnen und Leser!

Die Corona-Pandemie hat jedem von uns Kraft abverlangt. Wir alle waren einsam, ängstlich und fühlten uns in unserer Freiheit beraubt. All das hat auch Spuren in unserer Psyche hinterlassen, weshalb Workshops, Ratgeber und Kurse zum Thema Resilienz neuerdings Hochkonjunktur haben. Dabei gibt es die Wissenschaft rund um die Fähigkeiten, auf Herausforderungen mit einer Anpassung des eigenen Verhaltens zu reagieren, schon sehr lange.

 

Was ist eigentlich Resilienz?

Der Begriff der Resilienz stammt dabei vom lateinischen Wort „resilire“ ab, was mit „abprallen“ oder „zurückspringen“ übersetzt werden kann. Der Prozess der Resilienz setzt aus psychologischer Sicht voraus, dass Traumata oder andere Einflussfaktoren, die Resilienz erfordern, gerade stattfinden oder bereits stattgefunden haben. Es kommt des Weiteren auf Ressourcen und Faktoren an, die die Resilienz begünstigen und nicht zuletzt auf die Konsequenzen daraus – nämlich die Veränderungen der eigenen Einstellung oder des eigenen Verhaltens. Durch Resilienz können die Fähigkeiten, sich von etwas Negativem zu erholen oder mit einer positiven Grundeinstellung auf Veränderungen und Herausforderungen zu reagieren, geschult werden.

psychische WiderstandskraftWährend in der Psychologie Resilienz als Verwandte von Salutogenese (Entstehung von Gesundheit), Hardiness (Widerstandsfähigkeit), Coping (Bewältigungsstrategien) und Autopoiesis (Selbsterhaltung) gilt, betrachtet die Medizin Resilienz etwas anders. Aus medizinischer Sicht bedeutet Resilienz die Aufrechterhaltung oder schnelle Wiederherstellung von der psychischen Gesundheit. Resilienz ist hier also die Anpassung der psychischen Konstitution an Stress oder stressigen Lebensumständen. Mit Vulnerabilität wird übrigens das Gegenteil von Resilienz beschrieben – also Verwundbarkeit.

Beide Definitionen passen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge auf das, was wir uns eigentlich alle wünschen: Wir möchten alle besser mit negativen und stressigen Situationen umgehen können! Dies insbesondere während und auch noch nach der Pandemie.

Um die Resilienz als innere Widerstandkraft gegen Stress besser verstehen und für sich selbst ausbauen zu können, hat sich das Modell der sieben Säulen etabliert.

 

Das Resilienz-Modell der sieben Säulen

Auch durch Integration und Übung von Resilienz werden wir wahrscheinlich leider nicht direkt zum unverwundbaren Superhelden, aber mit etwas mehr Gelassenheit kann bestimmt jeder sein Leben positiv beeinflussen. Resilienz ist nämlich die Fähigkeit, auf Stress mit Gelassenheit reagieren zu können. Eine starke Resilienz befähigt uns, Stress zu minimieren oder ihm gleich aus dem Weg zu gehen. Vergleichbar mit unserem Immunsystem, das für unsere Gesundheit schädliche Einflüsse abwehren soll, hat die Resilienz die Aufgabe, uns Stress „vom Hals“ zu halten.

Das Modell der sieben Säulen der Resilienz geht auf Dr. Franziska Wiebel zurück. Die sieben Säulen darin sollen als Stützpfeiler betrachtet werden, auf denen eine starke Resilienz sicher ruht. Unterteilt wird in vier grundlegende Haltungen sowie in drei Praktiken:

 

Vier Säulen der Grundhaltungen

Eine wichtige Rolle nimmt unsere innere Haltung in Bezug auf die Resilienz ein. Unsere Denkweise bzw. Einstellung uns sowie anderen gegenüber trägt dazu bei, wie wir mit Stress umgehen. Basis für Resilienz ist somit ein wenig Optimismus. Aber auch der größte Pessimist unter uns kann zu jeder Zeit und sein ganzes Leben lang an seinen Grundhaltungen arbeiten und seine Resilienz trainieren.

 

Akzeptanz

Akzeptanz bedeutet vor dem Hintergrund der Resilienz den stresslösenden Umgang mit Restriktionen. Wir müssen einfach für uns annehmen, dass es Dinge gibt, die wir (noch) nicht ändern können. Genannt wird diese Erkenntnis Meta-Akzeptanz, bei der wir akzeptieren, was sich nicht verändern lässt. Kann etwas nicht geändert werden, könnte eine Kompromisslösung oder ein „Plan B“ dabei helfen, Stress zu lösen und wieder Zufriedenheit mit den eigenen Entscheidungen herbeizuführen.

Auf der anderen Seite kann Resilienz nur erreicht werden, wenn wir uns sowohl emotional als auch kognitiv selbst akzeptieren. Wir müssen lernen, unsere Makel und Fehler anzunehmen, damit wir all unsere Ressourcen nutzen können. Wenn wir einen guten Zugang zu uns selbst finden und verstehen, welcher Teil von uns für unser Verhalten verantwortlich ist, dann fällt uns die Selbstakzeptanz deutlich leichter.

 

Bindung

Die Säule der Bindung bezieht sich auf Beziehungen. Gemeint sind Beziehungen zu uns selbst, zu anderen Menschen sowie zu ganzen Systemen und Gruppen. Für die Resilienz ist Bindung besonders wichtig, da sie das menschliche Bedürfnis nach sozialen Kontakten beinhaltet. Beziehungen gewährleisten eine Art von Schutz und Unterstützung. Unterschieden werden muss zwischen sachlichen Bindungen und emotionalen Beziehungen. Sachliche Themen werden im Bereich der Kommunikation häufig auf der Beziehungsebene verstanden, was eine emotionale Belastung mit sich bringen kann. Hier müssen die Rollen klar kommuniziert und die Sach- von der Beziehungsebene getrennt werden.

Ganz wichtig für eine gute Bindung ist Empathie. Empathie gilt als Voraussetzung für das Unterscheiden von Mitleid und Mitgefühl, das Erkennen von Emotionen sowie darauf angemessene Reaktionen.

 

Lösungsorientierung

Bei Krisen- und Konfliktsituation kann Lösungsorientierung einen Beitrag zur Bewältigung leisten. Auch Lösungsorientierung kann jeder erlernen, sofern auf wohlgeformte Ziele zurückgegriffen wird. Lösungen werden zu diesem Zweck so konzipiert, dass sie auf positive Weise formuliert, konkret zu beschreiben, einfach und überschaubar sind. Die Lösungsoptionen sollten realistisch sein und durch Eigeninitiative – auch durch kleine Schritte – erreichbar sein können. Berücksichtigt werden sollten die eigenen Wertvorstellungen und die Werte des jeweiligen Umfeldes. Hierbei hilft ein Check, ob die Auswirkungen der Lösung mit dem Umfeld verträglich sind.

Die lösungsorientierte Haltung funktioniert auch unter Stress und ermöglicht den Zugang zu den eigenen Ressourcen.

 

„gesunder“ Optimismus

Mit einem gesunden Optimismus ist nicht das Schönreden von Schwierigkeiten oder das Blicken durch die rosarote Brille gemeint. Bleiben wir bei der Realität, da sowohl Optimismus als auch Pessimismus unter- oder übertrieben werden können. Mit einem gesunden Optimismus ist eher die richtige Balance zwischen negativem und positivem Fokus gemeint. Um aus dem negativen Fokus auszubrechen, sollte Dankbarkeit geübt werden. Dies durchbricht negative Denkmuster und die Konzentration auf das Schlechte, was direkt in einen angenehmeren Zustand versetzt.

Mit einem gesunden Optimismus können wir auch das Gute im Schlechten sehen, was den wieder Stresslevel ein paar Stufen runter fährt.

 

Drei Säulen der Praktiken

Wer die Grundhaltungen verinnerlicht und geübt hat, kann sich mit viel Motivation an die Praktiken wagen. Hier ist Geduld gefragt, da nur durch stetiges Anwenden, Trainieren und Wiederholen mit der Zeit ein „Immunsystem“ gegen Stress aufgebaut werden kann.

Bei den Praktiken liegt der Fokus auf uns selbst. Wir konzentrieren uns auf ganz auf uns selbst und schieben den Vorwurf des Egoismus mal auf die Seite. Denn nur dann, wenn wir uns selbst und unsere Reaktionen verstehen, dann können wir besser auf uns achten und mit anderen interagieren.

 

Selbstwahrnehmung

Die Selbstwahrnehmung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer starken und guten Beziehung zu sich selbst. Die Fähigkeit, die Signale des Körpers als solche wahrzunehmen und richtig einordnen zu können, sollte daher trainiert werden. Durch die Selbstwahrnehmung bekommen wir ein „Feeling“ für unser eigenes System und können anhand des Feedbacks unseren Zustand verbessern. Der Fokus liegt hierbei auf der Schärfung unserer Sinne und auf Achtsamkeit. Hilfreich kann es sein, die eigenen Empfindungen wie Stress gedanklich auf einer Skala anzusiedeln, um die eigene Wahrnehmung zu schulen und zu prüfen. Denn nicht selten stellen wir im Nachhinein fest, dass wir in einer Situation auch schon einmal überreagiert haben.

 

Selbstreflexion

Bei der Selbstreflexion verlassen wir die Perspektive der Selbstwahrnehmung und blicken „von außen“ auf unsere Denkweise, Gefühle und Reaktionen. Diese Meta-Perspektive kann dabei helfen, Stressreaktionen zu erkennen und Verhaltensänderungen zu bewirken. Selbstreflexion stärkt das Verständnis für uns selbst und setzt den Lernprozess in Gang, dass unsere Emotionen immer auf unsere Bedürfnisse hinweisen. Selbstreflexion trägt also durch die Erfüllung von Bedürfnissen zu unserem Wohlbefinden bei.

Wenn wir uns selbst fragen, wie wir bloß etwas so Tolles geschafft, etwas Wichtiges leider vermasselt haben oder in welcher Situation wir hätten besser reagieren können, sind wir auf einem guten Weg von der Selbstreflexion zur Resilienz.

 

Selbstwirksamkeit

Bei der Selbstwirksamkeit handelt es sich um das Bewusstsein, dass unsere Handlungen Auswirkungen haben. Selbstwirksamkeit beinhaltet damit auch den Glauben daran, dass wir selbst an unserer Lage etwas verbessern können. In der Psychologie werden zu diesem Zwecke „Anker“ genutzt. Anker sind Erinnerungshilfen an gut gemeisterte Situationen, die auch in Stresssituationen helfen. Sie erinnern uns daran, dass wir die Fähigkeit besitzen, Probleme und Krisen zu meistern. Die Anker der Selbstwirksamkeit lehren uns Gelassenheit – also einen wichtigen Bestandteil der Resilienz!

 

Mit Resilienz gegen Stress

Stress ist nicht immer schlecht. In lebensbedrohlichen Situationen ist Stress sogar notwendig, um richtig und schnell zu reagieren. Allerdings haben wir heute viel zu viel unnötigen Stress, was zu psychischen und gesundheitlichen Erkrankungen führen kann. Da Resilienz als Gegenprogramm zu Stress betrachtet wird, lohnt sich ein gewisses Anhäufen von Gelassenheit. Wir legen uns jetzt einfach „ein dickes Fell“ zu.

Positiv betrachtet verfügt jeder Mensch über Resilienz, jedoch in unterschiedlichem Umfang. Während sich der gemütliche Geduldsmensch jetzt eher keine Gedanken über seine Resilienz machen muss, braucht sich auch das ausgeprägte HB-Männchen nicht zu sorgen – Resilienz ist nämlich trainierbar und ausbaufähig! Je mehr Resilienz wir uns aneignen, desto flexibler können wir im Privat- und Berufsleben auf Stress reagieren.

Also, bleiben Sie cool und bis zum nächsten Mal!

Ihr Frank Hartung

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