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Die Bitte um Verzeihung – Geste von Größe und Schwäche zugleich

Liebe Leserinnen und Leser!

Wenn wir draußen versehentlich jemanden anrempeln, dann kommt uns das Wort „Entschuldigung“ fast schon automatisch über die Lippen. Sich für ein Versehen oder einen kleinen Fehler zu entschuldigen, fällt eigentlich jedem leicht. Schließlich haben wir es schon als Kinder beigebracht bekommen, wann wir uns zu entschuldigen haben.

Ganz anders sieht es aber aus, wenn wir wirklich etwas auf dem „Kerbholz“ haben - uns also in irgendeiner Weise falsch verhalten haben. Haben wir beispielsweise ein Geheimnis verraten oder unsere schlechte Laune richtig fies an einem anderen Menschen ausgelassen, übernehmen Schuldgefühle und Scham die Oberhand. Automatisch versuchen wir dann, unser Handeln zu rechtfertigen und weisen die Verantwortung von uns. Wahrscheinlich haben wir alle schon einmal unser etwas unwirsches Verhalten auf Stress bei der Arbeit geschoben. Um Verzeihung zu bitten fällt uns schwer und kostet viel Überwindung – aber warum eigentlich?

 

Ausweichmanöver für das Selbstwertgefühl

Studien der amerikanischen Universität Stanford zu Verhaltensmustern bei Entschuldigungen haben ergeben, dass bei vielen Menschen der natürliche Wunsch nach einer positiven Selbstbetrachtung zu den Hinderungsgründen für Bitten um Verzeihung gehört. Wir möchten schließlich alle möglichst perfekt, fehlerlos und gut sein. Deshalb fällt es dann auch so schwer, Verantwortung zu übernehmen, wenn wir etwas Unrechtes tun. Dies bedroht unsere Selbstwahrnehmung als guter Mensch, der Respekt verdient. Bei einer aufrichtigen Entschuldigung müssen wir einen Fehler eingestehen und Verantwortung für den Schaden übernehmen, der durch unser Fehlverhalten entstanden ist. Voraussetzung für eine Bitte um Verzeihung ist also, dass man sich erst einmal der Tatsache stellen muss, etwas gravierend falsch gemacht zu haben.

Haben wir unseren Fehler bewusst als solchen wahrgenommen, nimmt dies Einfluss auf unser Selbstwertgefühl. Je nach Schwere und Umfang des Fehlverhaltens kann dies schon sehr verunsichern. Wie groß hier die Unterschiede sein können, konnten Forscher an der Universität in Queensland im Jahr 2013 belegen: Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die sich ganz bewusst nicht entschuldigen, ein gesteigertes Selbstwertgefühl und Machtgefühle an den Tag legen. Sie sind im Glauben, durch das Nicht-Entschuldigen ihren Überzeugungen treu geblieben zu sein. Nach meiner Einschätzung werden diese Menschen irgendwann einmal ganz allein mit diesen Überzeugungen leben müssen.

Denn auch wenn es beschämend und nervenaufreibend sein kann, wenn es um eine ehrlich gemeinte Entschuldigung geht – die Gedanken zuvor sind in der Regel meist schlimmer als die Bitte um Verzeihung selbst und die Reaktion danach.

 

Wir wachsen, wenn wir um Verzeihung bitten

Bitte um VerzeihungTrotz des unbehaglichen Gefühls bei einer Entschuldigung profitieren wir auf lange Sicht davon, wenn wir uns Fehler eingestehen und Verantwortung übernehmen können. Würden wir uns weigern, andere trotz unseres tatsächlichen Fehlverhaltens um Verzeihung zu bitten, so untergraben wir das uns bisher entgegengebrachte Vertrauen. Auf Dauer schädigen wir durch dieses „sture“ Verhalten unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Die Vorteile des Eingestehens und Entschuldigens stehen in keinem Verhältnis zu den negativen Konsequenzen seitens unserer Mitmenschen.

Ganz im Gegenteil kann eine aufrichtige Entschuldigung sogar helfen, eine bereits angespannte und vielleicht sogar angeknackste Beziehung zu retten. Versuche der Versöhnung lassen Ärger, Zorn und Enttäuschung beim anderen schneller abklingen. Sind diese negativen Gefühle etwas abgeebbt, sind Menschen eher dazu bereit, einem anderen zu vergeben. Entschuldigungen verringern auf persönlicher Ebene die Schuldgefühle. Dies führt mit der Zeit zu einem gestärkten und positiven Selbstbild. Dies, zumal eine nicht ausgesprochene Entschuldigung schwer auf der Seele lasten und förmlich in Gestalt von Selbstvorwürfen daran nagen kann – beispielsweise dann, wenn es für eine Entschuldigung irgendwann zu spät sein sollte.

 

Die drei Säulen einer Entschuldigung

Die Bitte um Verzeihung ist mit Ängsten und schwermütigen Gefühlen verbunden, was daran hindern kann, eine wirkungsvolle Entschuldigung zu äußern. Deshalb kann es hilfreich sein, eine Bitte um Verzeihung nach folgendem Schema zu formulieren:

  1. Das Wort Entschuldigung
  2. Erklärung, was schief gelaufen ist und zu der Situation geführt hat
  3. Verantwortung übernehmen
  4. Der Ausdruck des Bedauerns, Reue bekunden
  5. Die Bitte um Vergebung
  6. Angebot der Schadenswiedergutmachung

Viele versuchen zwar, alle Aspekte einer Entschuldigung zu berücksichtigen. Dabei vergessen sie aber oft, ihr Mitgefühl auszudrücken. Dann fehlt jedoch die Anerkennung der Gefühle, die das eigene Verhalten beim anderen ausgelöst haben. Mitgefühl demonstriert, dass es bei einer Entschuldigung nicht um uns selbst, sondern um den anderen Menschen geht. Dies sollte beim Formulieren der Entschuldigung auch ganz klar hervorgehen.

Ein weiterer häufiger Fehler bei der Bitte um Verzeihung ist das Suchen nach Ausreden. Bei einer Entschuldigung sollte man sich darauf konzentrieren, wie der andere Mensch durch das eigene Verhalten verletzt worden ist. Eine Rechtfertigung ist hier fehl am Platz. Schlechte Laune und Frust als Ursache für Gereiztheit und schlechte Stimmung können jedoch erklärend erwähnt werden.

 

Schwächen anerkennen als Zeichen von Größe

Wem es generell schwer fällt, einen anderen Menschen um Verzeihung zu bitten, der sollte sich zunächst seiner eigenen persönlichen Werte bewusst machen. Dies macht das Formulieren einer Entschuldigung weniger schwierig und entfaltet eine aufrichtige Wirkung. Wer an seine eigenen Werte, Ziele und wichtige Menschen denkt, festigt sein Selbstwertgefühl. Dies hilft, sich selbst als Ganzes zu betrachten. Dann erscheint auch eine „Missetat“ für die eine Entschuldigung fällig wird, weniger bedrohlich. Sobald der Drang nachlässt, sich selbst verteidigen zu müssen, wird es leichter, sich aufrichtig zu entschuldigen.

 

Vergeben, aber nicht vergessen

Die Entschuldigung oder Bitte um Verzeihung zielt in erster Linie darauf ab, dass ein Fehlverhalten vergeben wird. Aus psychologischer Sicht bedeutet Vergebung, dass auf einen Schuldvorwurf und den darauf basierenden Anspruch auf Wiedergutmachung verzichtet wird. Eine Vergebung erfolgt unabhängig von Reue oder Einsicht des anderen. Wer vergeben kann, ist in der Lage, im Rahmen eines psychischen Prozesses innere (emotionale) Verletzungen zu bewältigen.

Durch Vergebung löst man sich aus der Opferrolle heraus. Auch wenn der Fehler, Fehltritt oder Fauxpas nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, lässt es sich nach der Vergebung besser mit den Folgen leben. Die Situation belastet nicht mehr so stark und es besteht kein Grund mehr, nachtragend zu sein. Denn nicht die Tat wird vergeben, sondern dem Täter!

Verzeihung und VergebungVerzeihen und Vergeben ist also mindestens genauso wichtig wie das Entschuldigen selbst. Denn Menschen sind auf soziale Beziehungen angewiesen. Werden wir durch schuldhaftes Verhalten eines anderen verletzt, kommt es zu Ärger, Wut, Trauer, Grübeleien bis hin zu psychischen und körperlichen Beschwerden. Das Vergeben kann demnach sowohl für den „Täter“ als auch für das „Opfer“ positive (seelische) Auswirkungen haben. Vielleicht ist es sogar wieder möglich, mit Wohlwollen, Mitgefühl, positiven Gedanken und Gefühlen für den anderen zu agieren. Dies geht jedoch nur, wenn sich der eine entschuldigt und der andere vergibt. Natürlich darf man auch sich selbst vergeben, wenn man einen Fehler gemacht und diesen als solchen eingesehen hat.

Wichtig ist aber, dass Vergeben nicht gleich Vergessen ist. Denn von der Bitte um Verzeihung bis hin zur Vergebung ist nicht nur ein langer und steiniger Weg, sondern insbesondere auch ein Lernprozess auf allen Seiten, der die persönliche Entwicklung weiter vorantreibt. Das alles einfach zu vergessen wäre wieder ein Schritt zurück.

Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie wohlauf!

Ihr Frank Hartung

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