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Wahrung der Systemgesetze für weniger Konflikte

Liebe Leserinnen und Leser!

Kennen Sie die Systemgesetze? Ich bin mir sicher, dass Sie diese kennen. Sie haben vielleicht noch nicht direkt von Systemgesetzen gehört, aber Sie handeln fast tagtäglich ganz automatisch danach.

Die Systemgesetze sind vor Jahrhunderten - wenn nicht sogar Jahrtausenden - entstanden. Sie entfalten ihre Wirkung immer; unabhängig davon, ob jemand sie kennt oder eben nicht. Denn wenn wir von einem System sprechen, dann meinen wir mindestens zwei oder mehrere Menschen. Menschen reagieren und agieren immer nach bestem Wissen und/oder Gewissen. Entsteht ein Konflikt zwischen zwei Menschen, dann können wir fast immer davon ausgehen, dass eine Verletzung der Systemgesetze vorliegt.

Wenn wir innerhalb unseres Systems handeln, dann immer in positiver Absicht für uns selbst. Allerdings kann sich dieses doch leicht egoistische Handeln so auswirken, dass bei unserem Gegenüber negative Gefühle ausgelöst werden. Befinden wir uns also in einem Konflikt, versuchen wir diesen auf der Sachebene und Beziehungsebene zu klären. Häufig gelingt uns das aber nur vordergründig. In jeden Konflikt fließen nämlich Emotionen ein, die von Systemgesetzverletzungen hervorgerufen wurden. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass bei allen Handlungen im Bereich der Kommunikation die Systemgesetze angewendet werden können und auch müssen.

Die Einhaltung der Systemgesetze gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Dies gilt sowohl für den privaten als auch den beruflichen Bereich. Deshalb basieren Coachings, Mediationen und Trainings eigentlich zunächst immer auf der Systemgesetzebene, bevor überhaupt an die Bearbeitung von Sachthemen gedacht werden kann. Zum besseren Verständnis: Den Systemgesetzen zu folgen bedeutet, bei einem maroden Haus nicht zuerst das Dach neu einzudecken, sondern erst einmal das Fundament zu reparieren, damit uns das Gebäude nicht vollständig zusammenbricht und auf den Kopf fällt.

 

Es gibt insgesamt 10 Systemgesetze, die an dieser Stelle näher erläutert werden sollen:

 

1. Zugehörigkeit

Unsere Zeit verbringen wir in einem privaten oder beruflichen System wie etwa in einem Unternehmen, mit Freunden oder der Familie. Fühlen wir uns in diesem jeweiligen System wohl und kommen mit den anderen Menschen aus diesem System gut klar, ist alles in bester Ordnung. Ist dies nicht der Fall, kann von einer Systemgesetzverletzung ausgegangen werden. Der Arbeitskollege, der sich bei der Beförderung vorgedrängelt hat oder aber das Kind, das bei den Geschwistern nicht mitspielen darf, gehören zu den klassischen Beispielen für einen Ausschluss vom System.

Das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, gehört zu den physisch und psychisch am stärksten wirkenden Systemgesetzverletzungen.

 

2. Anerkennung, Wertschätzung und Respekt

Kein System kann ohne Anerkennung funktionieren. Hinter dem Gesetz der Anerkennung verbergen sich gleichzeitig auch Werte der inneren Haltung wie Respekt, Würdigung, Wertschätzung und Dankbarkeit. Verlieren wir diese Haltung, kann keine Beziehung auf Dauer funktionieren. Ohne gegenseitige Anerkennung, Wertschätzung und Respekt gerät ein System ins Wanken oder bricht auseinander. Dies erklärt auch, warum die allgemeine Scheidungsrate so hoch ist oder warum so viele Fusionen scheitern.

Da bei diesem Systemgesetz im Gegensatz zur Zugehörigkeit immerhin noch Kommunikation stattfindet – beispielsweise bei einem Streit – kann auch noch gegenseitiger Respekt wahrgenommen werden. Da auch nicht von einem gänzlichen Ausschluss ausgegangen werden kann, steht dieses Systemgesetz an zweiter Stelle.

 

3. Geben und Nehmen im Gleichgewicht

Eine große Herausforderung bei einer gut funktionierenden Kommunikation ist das Recht auf Gleichgewicht. Geben und Nehmen sollten sich die Waage halten und kontinuierlich ausgeglichen werden. Die Menge, was und in welchem Umfang jeder gibt oder nimmt, kann nicht errechnet werden. Hier ist das individuelle Gefühl ausschlaggebend, wobei auch Situationen und Charaktere berücksichtigt werden müssen.

Ein System sieht immer einen Ausgleich vor. Fühlt sich jemand ungerecht behandelt, so arbeitet man beispielsweise im Betrieb eher antriebslos und lustlos. Bekommt eines von mehreren Kindern die alleinige Zuneigung der Eltern, so entsteht bei den Geschwistern das Gefühl von Frust, Ärger und Traurigkeit.

Bei diesem dritten Systemgesetz können Sie direkt merken, dass auch Sie dies intuitiv berücksichtigen: Wenn Sie beispielsweise bei Freunden eingeladen wurden, bringen Sie doch bestimmt auch eine Flasche Wein oder ein paar Blumen als kleine Aufmerksamkeit mit, oder? Dadurch zeigen Sie Anerkennung, Wertschätzung und schaffen einen Ausgleich, der gefühlsmäßig und nicht wertmäßig aufzufassen ist.

 

4. Früher vor später

Ihren Ursprung haben die Systemgesetze wahrscheinlich im Tierreich, bevor sie sich bei den Menschen etabliert haben. Und auch wenn dies schon vor Urzeiten geschehen ist, sind die Systemgesetze heute immernoch brandaktuell. Es ist egal, ob wir die Systemgesetze nutzen oder auch ob wir dagegen verstoßen. Mit den Konsequenzen müssen wir auf jeden Fall leben! Hinter den Systemgesetzen stand ursprünglich das Überleben. Daraus resultiert der Drang, immer der Erste sein zu wollen.

Früher vor später bedeutet also, dass die Gesetze zur Zugehörigkeit, Wertschätzung, Geben und Nehmen in einem System Vorrang haben. Früher vor später beschreibt aber auch den Vorrang von Älteren vor den Jüngeren. Betriebsältere Mitarbeiter sollten beispielsweise vorrangig mit einer Beförderung oder Gratifikation ausgezeichnet werden als frisch eingestiegene Mitarbeiter. So lässt sich der Frieden im Betrieb wahren.

 

5. Vorrang für Verantwortung und höheren Einsatz

Verantwortung bedeutet, Wort zu geben und Wort zu halten. Verantwortliche übernehmen wichtige Rollen, erfüllen hohe Ansprüche und tragen auch dann die Last und Konsequenz, wenn etwas schief läuft. Wenn wir also verantwortungsbewusst Handeln, entsprechen wir den Systemgesetzen.

Die Einhaltung der Gesetze erfordert viel Sensibilität. Denn selbst bei gutem Willen können Systemgesetze leicht verletzt werden. In diesem Fall wäre dies beispielsweise bei einem Angestellten der Fall, der ohne Absprache mit dem Chef Arbeiten übernimmt, die eigentlich der Führungsetage zustehen. Auch wenn hier in guter Absicht gehandelt worden ist, wurde das Systemgesetz verletzt. Der Angestellte hat nämlich seinen Chef ausgeschlossen. Weder konnte der Chef die Arbeiten selbst delegieren, noch selbst durchführen. Der höheren Verantwortung – in unserem Beispiel also dem Chef – ist also immer Vorrang einzuräumen.

 

6. Vorrang für Wissen und Kompetenz

Menschen innerhalb eines Systems, die über mehr Wissen und Fachkompetenz verfügen, wird Vorrang vor denen eingeräumt, die auf weniger Informationen zurückgreifen können. Im unternehmerischen Sinne müssen also langjährige Mitarbeiter, die alle Betriebsinterna kennen, von neuen Mitarbeitern als „alte Hasen“ anerkannt und respektiert werden. Geschieht dies nicht, ist Streit schon vorprogrammiert.

Dieses Systemgesetz lässt sich auch leicht anhand des Eltern-Kind-Beispiels verdeutlichen: Die älteren und erfahreneren Eltern werden auf ganz natürliche Weise von Kindern respektiert und anerkannt, weil sie einfach viel mehr wissen und können. Kinder lernen von ihren Eltern, weshalb diese immer versucht sind, ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden.

 

7. Neues vor altem System

Bei diesem Gesetz wird davon ausgegangen, dass alle vorrangigen Gesetze 1 bis 6 Berücksichtigung finden. In der modernen Zeit mit Globalisierung und Digitalisierung befinden wir uns in allen Systembereichen häufig in einer Phase der Umstrukturierung. Es werden Fusionen beschlossen, neue Teams gebildet, neue Partner gefunden, neue Familien gegründet.

So lange die Systemgesetze 1 bis 6 angewendet werden, gilt das Prinzip, dass das neue System Vorrang vor dem alten System hat. Bei einer Unternehmensfusion müssen sich auch die neuen und alten Mitarbeiter erst finden, respektieren und anerkennen. Dies vor dem Hintergrund, dass das alte System als ein gutes System gewürdigt wird, aber ein neues System entstehen darf und soll. Erst dadurch erhält das neue System eine Chance auf Erfolg.

 

8. Gesamtsystem vor Einzel- oder Untersystem

In alle funktionierenden Systeme in Behörden, Unternehmen, Familien, Vereinen und Freundeskreisen lassen sich nur dann Einzelpersonen integrieren, die die ersten sieben Gesetze respektieren.

Verhält sich eine Einzelperson, die neu in ein System kommt, nicht nach den Systemgesetzen, wird sie recht schnell wieder davon ausgeschlossen. Das Verhalten, dass jeder an den Tag legt, wird mit dem gleichen Verhalten der anderen aus dem System belohnt. Noch deutlicher: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es wieder heraus!

Wird beispielsweise ein neuer Teamchef aus einem anderen Unternehmen eingestellt, der völlig neue Vorgehensweisen praktizieren und den kompletten Arbeitsalltag von heute auf morgen umgestalten will, der muss mit Gegenwehr rechnen. Eine Akzeptanz der restlichen Mitarbeiter ist nicht zu erwarten.

 

9. Anerkennende Aussprache

Wer eine Systemgesetzverletzung auflösen möchte, muss seinem Gegenüber eine wertschätzende Haltung beweisen. Beide Seiten sollten sich Wertschätzung entgegenbringen und diese auch entsprechend transportieren. Erst dann macht es Sinn, die Situation, das Verhalten oder den Konflikt objektiv zu erörtern und dabei konkret zu werden.

Im Idealfall werden auch emotionale Aspekte zur Sprache gebracht und den Beteiligten die Möglichkeit der Entschuldigung und Wiedergutmachung geboten.

Wichtig ist, objektiv zu beschreiben, richtig zuzuhören und statt der rechtfertigenden Haltung zunächst Wertschätzung auszuüben. Wurden Grenzen und Gesetze überschritten, bedarf es der Übernahme der Verantwortung für das nicht-richtige Handeln. Dies erfolgt in der Regel durch eine Entschuldigung und einen Ausgleich, der bei korrekter Vorgehensweise dann auch angenommen wird.

 

10. Ausgleichen

Ein Ausgleich ist immer dann erforderlich, wenn jemand innerhalb eines Systems bevorzugt behandelt wird oder aber dann, wenn eine Reihen- oder Rangfolge nicht eingehalten wurde. Durch diesen Ausgleich kann die Beziehung innerhalb des Systems weiterhin mit dem Gefühl der Wertschätzung und Zugehörigkeit weitergeführt werden. Auch ein Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen bedarf eines Ausgleichs.

Am Familienbeispiel erklärt ist ein Ausgleich erforderlich, wenn ein Ehepartner sich vom gemeinsam erwirtschafteten Geld einen neuen Wagen gönnt und der andere Part leer ausgehen würde. Hier gibt es viele Möglichkeiten eines Ausgleichs. Entweder könnten zwei günstigere neue Fahrzeuge angeschafft oder aber das gerechte Teilen des neuen Autos vereinbart werden. Der Ausgleich führt zu einer allgemeinen Zufriedenheit, die das Leben deutlich einfacher macht.

 

Die Systemgesetze sind also geeignet, im privaten und beruflichen Umfeld für ein gutes Gefühl zu sorgen. Und überall dort, wo Zufriedenheit und Zuversicht herrschen, entstehen weniger Konflikte. Ich denke also, es kann nicht schaden, sich ab und an das eine oder andere Systemgesetz in Erinnerung zu rufen.

Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie gesund und zuversichtlich!

Ihr Frank Hartung

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