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Die transgressive Mediation - über Chaoswege in den Frieden

Liebe Leserinnen und Leser!

Bei der Mediation handelt es sich um ein strukturiertes Verfahren mit verschiedenen Phasen und Verläufen. Strukturen schaffen schließlich Ordnung und führen sicher zum Ziel. Es gibt jedoch auch eine Form der Mediation, die ganz anders funktioniert. Von außen betrachtet erscheint die transgressive Mediation fast schon ein wenig chaotisch.

Das, was im klassischen Verfahren am Ende geschieht, steht ganz zu Beginn der transgressiven Mediation: Bevor die mediative Arbeit überhaupt anfängt, müssen die Medianden erst einmal Frieden schließen. Schon ein kleiner Schritt in Richtung Frieden, der von dem jeweils anderen als solcher anerkannt wird, reicht für die transgressive Mediationsarbeit bereits aus. Klingt ein wenig verrückt, führt aber dennoch zum Ziel.

 

Transgressive Mediation = Chaostheorie?

Die transgressive Mediation gilt als Pionierleistung des Pädagogen, Soziologen und Mediators Dr. Ed Watzke für die Lösung hocheskalierter Dauerkonflikte. Bei der transgressiven Mediation gibt es keine festgelegten Anfänge, Phasen und Abschlüsse, sondern dafür viele Metaphern, Irritationen und humorvolle Überschreitungen individueller Grenzen. Dr. Watzke nutzt zusätzlich die sogenannte „Metaphernbrücke“, um mit einem situativen und ganzheitlichen Ansatz eine dialogtaugliche Basis für Gespräche zu schaffen. Auch hier werden Metaphern, Übertreibungen und Zuspitzungen genutzt, was aber keinesfalls verletzend sein darf. Diese Vorgehensweise wird treffender Weise „Weg des Hofnarren“ genannt. Und wie wir alles wissen sind Hofnarren lustig, aber friedlich.

Metaphern in der MediationDie Medianden werden in der transgressiven Mediation also auf einen friedlichen Pfad geführt. Dies geschieht durch Auflösung der typisch-menschlichen zwanghaften Anpassung an Normen, Regeln, Vorgaben, Routinen und einstudierten Verhaltensweisen. Durch die vom Mediator ausgehenden Irritationen wird an dem Gemäuer aus anerzogenen Verhaltensmustern und Schubladendenken gerüttelt. Und wenn diese Mauern bröckeln, fehlt die damit verbundene Sicherheit. Die Medianden müssen ihre Komfortzone verlassen und über den Tellerrand hinausblicken.

 

Ein Hauch von psychotherapeutischen Ansätzen

In der transgressiven Mediation wird das klassische Mediationsverfahren um psychotherapeutische Ansätze erweitert. Hier werden Bestandteile der provokativen Therapie und des Psychodramas genutzt, um die Überschreitung von Normen, Vorgaben und Regeln für das Mediationsverfahren fruchtbar zu machen. In der provokativen Psychotherapie ist bekanntlich auch alles erlaubt, was nicht nachweislich schadet.

Frei nach dem Sprichwort „Viele Wege führen nach Rom!“ basiert die transgressive Mediation auf der Annahme, dass alle Menschen verschieden sind und außergewöhnliche Situationen auch außergewöhnliche Maßnahmen erfordern können. Die Kraft von Geschichten und humorvoll-spielerische Elemente können heiklen Situationen nicht nur etwas Schärfe und Schwere nehmen, sondern auch neue Gedanken und Phantasien anregen. Insbesondere dann, wenn es um wirklich schwierige Situationen geht, hilft es, mutig voranzugehen und durch ganz neue Versuche alte Grenzen zu überschreiten.

 

Humor als eine Brücke betrachten

Bei der transgressiven Mediation werden die sonst üblichen fünf Phasen des Mediationsverfahrens ad acta gelegt. Auch die eigentliche Mediationsarbeit wird verdeckt, indem der Fokus nicht auf das Problem zwischen den Medianden gesetzt wird. Stattdessen wird Humor genutzt, um zwischen zwei Menschen eine Brücke zu errichten. Ein starres Konzept wäre hier fehl am Platz.

Im klassischen Mediationsverfahren führen lineare Denkprozesse auf rein sachlicher Ebene zum erwünschten Frieden. Die transgressive Mediation nutzt das dionysische Prinzip (Anmerkung: von Dionysos, dem griechischen Gott der Illusion, der Ekstase, der Fruchtbarkeit, der Verkleidung und des Weines), um sich mehr mit den inneren Vorgängen und Emotionen zu beschäftigen. Die Wege in der transgressiven Mediation sind oft irrational; beispielsweise zu Beginn mit dem Friedensschluss der Medianden. Der Frieden wird hier als Voraussetzung betrachtet, um Probleme überhaupt lösen zu können.

 

Der Mediator als Geschichtenerzähler

Was der transgressive Ansatz mit der klassischen Mediation gemeinsam hat: Auch hier beseitigen die Medianden ihre Konflikt selbst. Unterstützt wird dies durch Sprüche, Aphorismen, Geschichten und Metaphern, die die Medianden vom Konflikt selbst wegführen. Durch Verallgemeinerungen in den Geschichten wird eine Identifikation vermieden. Nach dem dionysischen Ansatz entstehen durch die Geschichten unterbewusst Gefühle und Bilder, die erstaunen und anregen können, andere Sichtweisen anzunehmen. Medianden erhalten die Möglichkeit, Abstand vom Konflikt zu gewinnen.

Durch Humor und geistige Anregung werden Medianden vom Konflikt weg geführt, was wiederum deeskalierend wirkt und Raum für kreative Konfliktlösungen schafft.

Die Wirkung von Geschichten macht sich übrigens auch die Werbung zunutze. Durch Storytelling werden Produkte verkauft, die eigentlich gar nichts mit dem Kundenbedürfnis zu tun haben. Auch hier wird die Kraft der Geschichten genutzt, um Emotionen, Bedürfnisse und Verlangen zu erzeugen. Lassen Sie sich also keine Geschichten erzählen – oder vielleicht doch?

Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie zuversichtlich!

Ihr Frank Hartung

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