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Umgang mit Kindeswohlgefährdungen in der Mediation

Liebe Leserinnen und Leser!

Heute möchte ich mich mit einem ernsten Thema beschäftigen, von dem häufig in den Medien berichtet wird und das auch meine Arbeit als Mediator betreffen kann – der Kindeswohlgefährdung.

Nach der Definition handelt es sich um eine Kindeswohlgefährdung, wenn Erziehungsberechtigte durch Handeln oder Unterlassen das Wohl eines Kindes gefährden. Gemeint sind damit körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigungen als Folge des Handelns oder eben des Unterlassens. Beispiele hierfür sind Vernachlässigungen in der Ernährung, der Gesundheit, der Beaufsichtigung oder der Fürsorge sowie Misshandlungen und sexueller Missbrauch. Zur Beurteilung, ob eine Kindeswohlgefährdung stattgefunden hat, müssen die gegebenen Umstände und Lebensumstände berücksichtigt werden. Manchmal fällt auch das Vermögen eines Kindes unter sein persönliches Wohl, sodass auch hier Gefährdungen möglich sind.

 

Was ist das Kindeswohl?

Um „Fehler“ finden, analysieren und abstellen zu können, muss man immer wissen, wie es „richtig“ geht. Um Kindeswohlgefährdungen aufzeigen zu können, bedarf es daher des Wissens, was Kindeswohl überhaupt bedeutet. Das Oberlandesgericht Köln hat es dabei für mich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 genau auf den Punkt gebracht:

„Kindeswohl bedeutet das Recht des Kindes auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Bei der Kindeswohlprüfung sind dabei die Persönlichkeit und die erzieherische Eignung der Eltern, ihre Bereitschaft Verantwortung für das Kind zu tragen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Betreuung zu berücksichtigen, wozu als wesentliche Faktoren die emotionalen Bindungen des Kindes zu den Eltern und anderen Personen treten.“ (OLG Köln, Entscheidung v. 16.06.1999, AZ: 25 UF 236/98)

Juristisch betrachtet stellt das Kindeswohl ein Rechtsgut dar, mit dem das Wohlergehen und die gesunde Entwicklung unter Schutz gestellt werden. Gefährdet ist das Kindeswohl also, wenn eine schwerwiegende Schädigung des Kindes mit körperlichen, geistigen oder seelischen Nachteilen wahrscheinlich ist. Jeder, also beispielsweise Mutter, Vater, Richter, Sozialarbeiter, Jugendämter, Großeltern und Gutachter, haben aber eine andere Auffassung davon, was Kindeswohl bedeutet.

 

Der ASD (Allgemeiner Sozialdienst) hat das Kindeswohl durch die Befriedigung folgender Grundbedürfnisse definiert:

  • Ausgewogene Ernährung, angemessene Wach- und Ruhezeiten, Körperhygiene
  • Schon während der Schwangerschaft und in Folge Schutz vor Witterung, Gefahren und anderen äußeren Einflüssen sowie gesundheitlichen Risiken und Krankheiten
  • Schutz vor und Unterlassung von Gewalt sowie psychisch und physisch verletzendem Verhalten

 

Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in der Mediation

Kindeswohlgefährdung in der Mediation

Als Mediator bin ich neutral und allparteilich. Als Mediator bin ich des Weiteren zur Verschwiegenheit und Vertraulichkeit verpflichtet. Wie aber verhalte ich mich richtig, wenn in einer Mediation der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung auftritt? Was muss ich tun, wenn die elterlichen Medianden in einer Familienmediation die Ansicht vertreten, dass Züchtigung und körperliche Gewalt die richtige Erziehungsmethode darstellt, um den 10-jährigen Nachwuchs „in die richtigen Bahnen“ zu lenken? Denn gerade in Trennungs- und Ehe-Mediationen kommt es häufig vor, dass die Parteien so sehr mit ihrem eigenen Konflikt beschäftigt sind, dass sie das Wohl des Kindes dabei völlig außer Acht lassen.

Generell bin ich zur Vertraulichkeit über alle Informationen aus der Mediation verpflichtet. Eine Ausnahme gilt aber für Informationen, die aus gesetzlichen Gründen oder Gründen der öffentlichen Ordnung offengelegt werden müssen.

 

Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht

Der Gesetzgeber hat in Bezug auf das Mediationsgesetz drei Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht vorgesehen:

  • Mediatoren dürfen den Inhalt der in der Mediation getroffenen Vereinbarung/Einigung offenlegen, wenn dies zur Umsetzung und/oder Vollstreckung notwendig ist.
  • Mediatoren dürfen immer dann aussagen, wenn es um Angelegenheiten der ordre public, also der öffentlichen Ordnung, geht. Der § 4 Satz 3 Nr. 2 Mediationsgesetz geht dabei insbesondere auf die Abwendung einer Kindeswohlgefährdung und schwerwiegenden Beeinträchtigungen der psychischen oder physischen Integrität von Personen (jedermann, nicht nur die Medianden) ein. Voraussetzung ist hierfür, dass die nach Art 2 Abs. 2 Grundgesetz festgelegte körperliche Unversehrtheit betroffen sein muss.
  • Mediatoren sind nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn es sich um offenkundige Informationen und Tatsachen handelt, die keiner Geheimhaltung bedürfen.

Potenzielle Aussagen, die eine Kindeswohlgefährdung betreffen, sind für Mediatoren nur dann zulässig, wenn eine Offenlegung geboten ist. Wann und weshalb eine Offenlegung „geboten“ ist, kommt dann wieder auf die Wertung des Einzelfalls an. Als Mediator bin ich verpflichtet, zu beurteilen, was sich bei objektiver Betrachtung als geboten darstellt.

Bieten sich nämlich „mildere“ Mittel an, bleibt es bei der Verschwiegenheitspflicht. Sind keine milderen Mittel verfügbar, darf der Mediator aussagen. Bei drohenden körperlichen Misshandlungen und Schädigungen, von denen der Mediator während der Mediation in Kenntnis gesetzt wird, darf und muss er auch aussagen. Er muss die zuständigen Beratungsstellen, Jugendämter oder die Polizei informieren.

 

Nicht wegsehen - Kindeswohlgefährdung melden

Es bedarf einer Menge Erfahrung und Fingerspitzengefühl, den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung korrekt einzuschätzen, nachzuvollziehen, zu dokumentieren und im Anschluss daran richtig zu handeln. Auf der einen Seite möchte jeder einem Kind helfen, auf der anderen Seite aber keine falsche Verdächtigung aussprechen und eine ganze Familie dadurch in Schwierigkeiten bringen. Dennoch sollen sich Mediatoren bei Verdachtsfällen Notizen machen, um klug zu entscheiden und später auf potenzielle Nachfragen von Ämtern und Gerichten reagieren zu können.

Richtiger Ansprechpartner für Kindeswohlgefährdungen ist das jeweils zuständige Jugendamt. Wer sich nicht sicher ist, kann sich beim Jugendamt auch entsprechend beraten lassen. Nach Schilderung des Sachverhalts entscheidet das Jugendamt, ob die Anhaltspunkte ausreichen, um nach § 8 a SGB III aktiv zu werden. Kann der Verdacht durch das Jugendamt bestätigt werden, muss das zuständige Familiengericht geeignete Maßnahmen für das Kind und seine Erziehungsberechtigten beschließen.

Diese Maßnahmen bedeuten nicht gleich, dass der Familie das Kind weggenommen wird. Das Familiengericht kann beispielsweise den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zur Auflage machen, Hilfsangebote anzunehmen. Die Entziehung der elterlichen Sorge ist nur in besonders schweren Fällen möglich und dient dann, wie alle anderen Maßnahmen auch, dem Wohle des Kindes.

Mehr über die Thematik erfahren Sie übrigens auf www.anwalt.org/kindeswohlgefaehrdung/.

Bis zum nächsten Mal!

Ihr Frank Hartung

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