Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Elder Mediation – wenn es um das Älterwerden geht
Liebe Leserinnen und Leser!
Jeden Tag werden wir und unsere Lieben älter. Den Lauf der Dinge kann niemand aufhalten. Positiv betrachtet hat jedes Lebensalter seinen ganz eigenen Charme und Reiz. Dennoch sind mit dem Alter häufig Probleme und Herausforderungen verbunden, die einer besonderen Behandlung bedürfen. Der Umgang mit älteren Menschen erfordert meines Erachtens viel Respekt vor der Lebenserfahrung, Fingerspitzengefühl und viel Nachsicht, wenn Dinge nicht mehr so gut oder so schnell funktionieren. Und ich denke auch, dass wir uns alle wünschen, später selbst einmal in Würde und Frieden altern zu dürfen.
Um sich den besonderen Bedürfnissen, Ansprüchen und Herausforderungen rund um das fortgeschrittene Alter widmen zu können, wurde die Elder Mediation konzipiert. Der Begriff „Elder“ stammt aus dem Englischen und kann mit „Älteste/Ältester“ übersetzt werden. Für mich ist diese Definition nicht nur mit dem Begriff „alt“ verbunden, sondern auch mit Erfahrung und Weisheit. Aus diesem Grund empfinde ich es auch als sehr positiv, dass sich die Elder Mediation auf die bekannt „behutsame“ Art und Weise mit verschiedenen Konflikten aus diesem Bereich beschäftigt.
Das Alter und Älterwerden als Thema von Konflikten
Die Elder Mediation fokussiert sich auf Konflikte zwischen Medianden, die auf dem Alter oder Älterwerden basieren und als solche wahrgenommen werden. Diese können in privaten oder auch beruflichen Zusammenhängen entstehen. Die steigende Lebenserwartung bringt mit sich, dass Generationen länger miteinander „auskommen“ müssen. Die Eltern von Kindern leben länger und bedürfen im Alter der Unterstützung. So wandeln sich familiäre Beziehungen, was etablierte Rollen neu definiert und eine neue Orientierung erfordert. In den Beziehungen von erwachsenen Kindern und ihren alten Eltern müssen viele schwierige Entscheidungen getroffen werden, was zu Spannungen und Konflikten führen kann.
Besonders häufig kommen bei der Elder Mediation Konflikte aus den Bereichen
- Pflege, Gesundheit und Wohnen
- Selbstbestimmung und Betreuung
- Bevollmächtigungen
- Erben, Vererben und Nachlass
- Übergabe und Übernahme von Unternehmen
- Generationskonflikte innerhalb von Familien
- Paarkonflikte beim Übergang in den Ruhestand
auf den Verhandlungstisch.
In der Elder Mediation sind zahlreiche Einflüsse aus der Familienmediation, Erbschaftsmediation oder sogar Unternehmensmediation zu finden. Häufig finden Konflikte zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten statt oder Geschwister streiten sich mit Stiefeltern sowie Stiefkindern. An Elder Mediationen sind oft mehr als zwei Medianden beteiligt.
An dieser Stelle soll aber noch einmal darauf hingewiesen werden, dass sich eine Elder Mediation auch als Konfliktprävention empfiehlt. Das Verfahren ermöglicht, sich schon frühzeitig mit dem Alter und Älterwerden zu beschäftigen. So können später anzugehende Fragen vorausschauend bearbeitet werden, was potenziell späteren Konflikten vorbeugen kann.
Typische Konflikte, die mit dem Alter zu tun haben
Zu „altersbedingten“ Streitigkeiten innerhalb der Familie kann es beispielsweise kommen, wenn Kinder feststellen oder der Meinung sind, dass die älteren Familienmitglieder nicht mehr in der Lage sind, selbst Auto zu fahren oder alleine in den Urlaub zu fliegen. Oder auch dann, wenn eine Demenzerkrankung im Raume steht, machen sich Kinder häufig Sorgen um die Eltern, ob sie ihr Leben weiterhin alleine meistern können oder in naher Zukunft etwas Schlimmes passiert.
Die Versorgung und Pflege von Eltern oder Großeltern führt besonders oft zu Konflikten. Hier stellen sich Familien die Frage, wer sich wann um wen kümmert, wenn eine Selbstversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Was geschieht, wenn Mutter und Vater zum Pflegefall werden? Werden mich meine Kinder einfach in ein Pflegeheim bringen? Diese Fragen bringen Familien oft an ihre Grenzen. Und hier spielt auch schon die Angst vor der Möglichkeit eines baldigen Abschieds von einem Familienmitglied eine Rolle, was berücksichtigt werden sollte.
Aber auch die häusliche Pflege von Angehörigen kann eine sehr belastende Situation darstellen, die ganze Familien auseinander reißen kann. Innerfamiliäre Konflikte entstehen insbesondere dann, wenn die Aufgabenverteilung als ungerecht oder unfair wahrgenommen wird. Hier können dann auch alte Kindheitsthemen wie alte Geschwisterstreitigkeiten und Konkurrenzdenken wieder durchbrechen.
Eine Herausforderung für Mediatoren
Mediationen mit alten und vielleicht sogar hochbetagten Menschen stellen für Mediatoren eine Herausforderung dar. Neben der Konfliktsituation selbst können Krankheiten oder Behinderungen einen besonderen Rahmen der Mediation erfordern und auch Mediatoren benötigen eine besondere Kompetenz.
Im Idealfall unterstützt die Elder Mediation ältere Menschen und ihr Umfeld dabei, konkrete Situationen klar wahrzunehmen und hochgekochte Konflikte zu deeskalieren. Das Mediationsverfahren regt an, die Kommunikation zu verbessern und eine Unterstützung zu bewirken, damit gemeinsam nach konstruktiven Vorgehensweisen und Lösungen für die Zukunft gesucht werden kann. Nach dem Mediationsprinzip werden auch in der Elder Mediation die Interessen von allen Beteiligten berücksichtigt. Eine Besonderheit des Elder Verfahrens könnte darstellen, dass es hilfreich sein kann, auf professionelle Hilfe durch Beratungsstellen und Organisationen zurückzugreifen. In Betracht kommen Pflegeverbände, Ärzte oder Beratungsstellen.
Was Elder Mediatoren können müssen
Die Elder Mediation würdigt das Alter und die Lebenserfahrung. Sie sorgt für einen respektvollen und fairen Umgang mit älteren Menschen sowie Hochbetagten und nimmt auf die typischen Anforderungen des fortgeschrittenen Alters Rücksicht.
Mediatoren sollten daher über Fachkenntnisse im Umgang mit Senioren und Hochbetagten verfügen, die oft aus der Gerontologie stammen. Dies betrifft insbesondere die Entwicklungspsychologie, Alterungsprozesse, Erkrankungen und Verläufe sowie eine angemessene Gesprächsführung, Darstellung und Sprache. Elder Mediatoren wissen, wie mit Trauer und Tod umzugehen ist und haben sich Grundkenntnisse über psychische Störungen, Erkrankungen und Demenz angeeignet.
Bei der Elder Mediation wird auf die Kommunikationstechnik der Validation zurückgegriffen, die sich als besonders wertschätzende Haltung auch im Umgang mit Demenzkranken etabliert hat. Da Senioren und Hochbetagte in ihrer Mobilität eingeschränkt sein können, müssen Mediatoren auch bereit sein, das Mediationsverfahren an unterschiedlichen Orten wie etwa im Pflegeheim durchzuführen.
Im Idealfall kennen Mediatoren die Möglichkeiten und Versorgungssysteme für Senioren oder können auf Beratungsmöglichkeiten und Netzwerke zurückgreifen. Dies betrifft insbesondere Informationen über mögliche Pflegemöglichkeiten, Wohnmöglichkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten.
Die Elder Mediation in der Praxis
Der Mediator stellt in der Elder Mediation sicher, dass alle Beteiligten fähig und in der Lage sind, am Mediationsverfahren teilzunehmen und dem Verfahren zu folgen. Hat der Mediator Zweifel daran, dass dies der Fall ist, kommt die Hinzuziehung eines Arztes oder sogar ein Abbruch der Mediation in Betracht.
Jedem einzelnen wird in der Elder Mediation sowohl Zeit als auch die Möglichkeit eingeräumt, u sprechen und auch gehört zu werden. Es kann sein, dass in der Elder Mediation häufiger Pausen gemacht werden müssen oder alle Beteiligten dazu angehalten werden, langsam, laut und deutlich zu sprechen. Mitunter können auch Tafeln mit besonders großer Schrift zur Verdeutlichung genutzt werden.
Kann sich ein Beteiligter wegen den Folgen einer Erkrankung wie beispielsweise einer Demenz oder eines Schlaganfalls nur eingeschränkt ausdrücken, wird eine Vertrauensperson benannt, die als „Sprecher“ auftreten kann. Aus Gründen der zugesicherten Allparteilichkeit wird ein Mediator diese Rolle ohne eine zusätzliche Auseinandersetzung und Vereinbarung mit allen Beteiligten nicht übernehmen können.
Da bei Elder Mediationen häufig mehr als zwei Personen teilnehmen, nutzt der Mediator seine Kenntnisse in Gruppenmediationen und weiß um die Gruppendynamiken. Um älteren Menschen eine größtmögliche Teilhabe an der Gesellschaft zu gewährleisten, kann ein Netzwerk aus Wissenschaft, Fachverbänden, Experten und anderen Berufsgruppen genutzt werden. So ist es häufig möglich, gerechte Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen. Es kann durch eine Neuverteilung von Aufgaben oft Entlastung geschaffen werden, was das (innerfamiliäre) Klima wieder neutralisiert und vielleicht sogar harmonisiert.
Vielleicht denken auch Sie heute schon einmal darüber nach, wie Sie Konflikte im Alter vermeiden könnten!
Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie zuversichtlich!
Ihr Frank Hartung
Wenn Sie den Blog abonnieren, senden wir Ihnen eine E-Mail, wenn es neue Updates auf der Website gibt, damit Sie sie nicht verpassen.