| Peer-Mediation | Peer-Mediation ist an deutschsprachigen Schulen ein wichtiger Ansatz zur Gewaltprävention und Konfliktbewältigung. Hierbei helfen speziell geschulte Schüler als neutrale Vermittler bei Streitigkeiten unter Mitschülern, was oft effektiver ist als das Eingreifen von Erwachsenen. Nach der Pandemie hat laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung die psychische Gewalt und das Mobbing zugenommen, was die Bedeutung von Maßnahmen wie Peer-Mediation betont. Im Jahr 2023 gab es einen Anstieg der gewaltbedingten Schülerunfälle um etwa 11.000 Fälle im Vergleich zum Vorjahr. Grundlagen und Definition der Peer-Mediation- Peer-Mediation ist ein Prozess zur Konfliktvermittlung unter Jugendlichen durch speziell ausgebildete Schüler, die als neutrale Dritte auftreten. Der Begriff "Peer" bezieht sich auf eine Gruppe gleichaltriger Personen mit ähnlichen Interessen und sozialer Herkunft. Im deutschen Sprachraum wird oft "Streitschlichtung" synonym verwendet, obwohl es fachsprachlich nicht dasselbe wie Mediation ist. Weitere Begriffe sind Konfliktlotsen oder Schülermediatoren.
- Das Konzept orientiert sich am Win-Win-Prinzip, welches eine Lösung nur dann als erfolgreich ansieht, wenn beide Streitparteien zustimmen. Jugendliche suchen bei Konflikten eher Rat bei Gleichaltrigen statt bei Erwachsenen, da diese derselben Jugendkultur angehören.
- In Deutschland verbreitete sich das Modell der Peer-Mediation ab 1993 durch das Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest. Ein Drittel der weiterführenden Schulen im Regierungsbezirk Köln hatten bis 2003 Peer-Mediation-Projekte, wie die Dissertation von Victoria Caesar zeigt. In Österreich wurde Peer-Mediation als Mittel zur Gewaltprävention etabliert, wobei die Akademie für Mediation über 200 Schulen unterstützte. Studien zeigen, dass dadurch Konflikte um bis zu 80% reduziert wurden.
Funktionsweise des MediationsprozessesDas Phasenmodell der Mediation besteht aus fünf Schritten: Vorbereitung, Darstellung der Sichtweisen, Konflikterhellung, Lösungssuche und Vereinbarung. Die Mediatoren führen die Parteien durch den Prozess, hören zu, stellen Fragen zur Konfliktergründung und unterstützen die Suche nach kreativen Lösungen. Am Ende steht eine schriftliche, überprüfbare Vereinbarung. Rolle der Peer-Mediatorinnen und MediatorenPeer-Mediatoren müssen Neutralität wahren, den Ablauf steuern ohne Lösungen vorzugeben, den Konfliktparteien helfen, ihre eigene Lösung zu finden, und Verschwiegenheit bewahren, außer bei Gefährdung. Implementierung an SchulenFür die erfolgreiche Umsetzung von Peer-Mediation sind klare Vereinbarungen und bestimmte Bedingungen nötig. Zuerst muss der Bedarf systematisch ermittelt werden, etwa durch Gespräche oder Umfragen. Die Schulleitung und alle Schulpartner müssen das Projekt unterstützen und notwendige Ressourcen bereitstellen. Wichtig ist auch, dass Peer-Mediation fest im Schulprogramm verankert wird, um als Teil der Schulkultur wahrgenommen zu werden. Auswahl und Ausbildung der Peer-Mediatorinnen und Mediatoren- Die Auswahl von Schülermediatoren basiert auf Kriterien wie sozialer Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit.
- Der Bundesverband für Mediation empfiehlt eine Ausbildung von mindestens 40 Stunden, die technische Mediationsaspekte, Konflikttheorie und praktische Übungen beinhaltet.
Rolle der Peer-CoachesDie betreuenden Lehrkräfte (Peer-Coaches) sind zentral für das Mediationsprojekt. Sie benötigen eine spezielle Ausbildung und sind für die Unterstützung der Peer-Mediatoren, Organisation von Treffen und Supervisionen sowie für die Koordination der Mediationstermine verantwortlich. Um die Kontinuität des Programms zu sichern, sollten mindestens zwei ausgebildete Lehrkräfte das Projekt leiten. Empirisch nachgewiesener Nutzen- Die Wirksamkeit von Peer-Mediation an Schulen wurde durch Studien bestätigt. Schüler können durch Schulung Konflikte selbstständig lösen, was ihre Autonomie und Selbstwirksamkeit stärkt. Die österreichische Studie zeigte eine 90% Erfolgsquote.
- Peer-Mediatoren entwickeln wichtige Kompetenzen, wie Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit.
- Lehrer profitieren durch Entlastung und können sich auf pädagogische Aufgaben konzentrieren.
- Das Schulklima verbessert sich durch mehr Toleranz und weniger Gewalt. An Schulen mit Peer-Programmen gibt es bis zu 80% weniger Konflikte bei der Schulleitung und eine Verbesserung des Klassenklimas.
Grenzen und Herausforderungen- Die Caesar-Studie zeigt, dass Peer-Mediation in Schulen nur eine von vielen Maßnahmen zur Konfliktlösung sein kann und nicht als Allheilmittel gesehen werden darf.
- Sie eignet sich hauptsächlich für Konflikte unter Gleichaltrigen und nicht für Auseinandersetzungen zwischen Schülern und Lehrern, bei Machtungleichgewichten, schwerer Gewalt oder sexuellen Übergriffen sowie in akuten Gefahrensituationen.
- Die freiwillige Teilnahme ist entscheidend, da Zwang die Erfolgsaussichten mindert.
- Die Nutzung der Peer-Mediation ist oft gering, unter anderem wegen mangelnder Information, Angst vor Bekanntwerden des Konflikts, negativen Vorerfahrungen und dem Wunsch, Konflikte selbst zu lösen.
- Lehrkräfte stehen dem Konzept manchmal skeptisch gegenüber, was die Akzeptanz und Nachhaltigkeit von Mediationsprojekten gefährden kann.
- Der langfristige Erfolg wird auch durch Ressourcenmangel bedroht, da die Betreuung der Peer-Mediatoren zeitaufwendig ist und oft nicht im Stundenplan vorgesehen wird.
- Nach einer anfänglichen Begeisterung können Projekte ins Stocken geraten, besonders wenn initiierende Lehrkräfte die Schule wechseln und keine Nachfolge gefunden wird.
Qualitätskriterien und Erfolgsfaktoren- Peer-Mediations-Projekte in Schulen sind nachhaltig, wenn sie von der gesamten Schulgemeinschaft unterstützt werden.
- Ihre Verankerung im Schulprogramm stärkt die Schulidentität.
- Ein systematisches Nachschulungssystem sorgt für die kontinuierliche Ausbildung neuer Mediatoren.
- Der Bundesverband für Mediation empfiehlt eine 40-stündige Ausbildung durch qualifizierte Mediatoren, die verschiedene Lernmethoden beinhaltet.
- Die Integration in ein Gesamtkonzept, das auch andere Maßnahmen zur Konfliktkultur und Gewaltprävention umfasst, ist wesentlich für den Erfolg.
Handlungsempfehlungen- Für Schulen bei der Einführung
Für die Einführung von Programmen in Schulen sollten zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt und alle Schulpartner befragt werden. Es ist wichtig, die Unterstützung der Schulleitung zu sichern und Lehrer, Eltern sowie Schüler einzubeziehen. Zudem müssen Lehrkräfte als Peer-Coaches qualifiziert und für ihre Betreuungsaufgaben mit genügend Zeit ausgestattet werden. Eine sorgfältige Auswahl und Ausbildung der Beteiligten mit klaren Kriterien und mindestens 40 Stunden Training ist essenziell, ebenso wie die Einplanung praktischer Übungen und die Gewährleistung kontinuierlicher Weiterbildung.
- Für die nachhaltige Umsetzung
Regelmäßige Information und erhöhte Sichtbarkeit von Peer-Mediatoren sind wichtig. Erfolgsgeschichten sollen kommuniziert und der Zugang zu Mediation niedrigschwellig gestaltet werden. Qualitätssicherung erfolgt durch regelmäßige Supervision, Dokumentation und Feedback sowie Weiterentwicklung des Programms. Nachhaltigkeit wird durch ein Nachschulungssystem, Wissenstransfer, langfristige Finanzierung und Netzwerkbildung gesichert. Peer-Mediation sollte Teil eines Gesamtkonzepts sein, mit anderen Präventionsprogrammen verbunden werden und die Schulkultur hin zu konstruktiver Konfliktbearbeitung entwickeln. Lehrkräfte sollen im Konfliktmanagement fortgebildet werden.
- Für Bildungspolitik und Schulaufsicht
Es sollen finanzielle Mittel für die Ausbildung und Begleitung von Peer-Coaches bereitgestellt werden, Anrechnungsstunden ermöglicht, Qualitätsstandards entwickelt sowie die Vernetzung zwischen Schulen gefördert werden. Zudem soll die Qualifizierung durch Unterstützung der Ausbildung von Peer-Coaches, Fortbildungsangebote für Lehrkräfte, Entwicklung von Zertifizierungssystemen und Förderung von Forschung und Evaluation vorangetrieben werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die Rahmenbedingungen zu verbessern, indem Peer-Mediation in Bildungspläne integriert, rechtliche Klarstellungen vorgenommen, Datenschutz und Verschwiegenheit geregelt und Präventionskonzepte ganzheitlich gedacht werden.
FazitDie Peer-Mediation stellt bei sachgemäßer Implementierung und langfristiger Begleitung ein wirksames Instrument zur Förderung einer konstruktiven Konfliktkultur an Schulen dar. Ihre Grenzen müssen dabei ebenso beachtet werden wie die Notwendigkeit, sie als Teil eines umfassenden Präventionskonzepts zu verstehen. Die vorliegenden Forschungsergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum belegen eindeutig das Potential dieses Ansatzes, wenn die entsprechenden Qualitätskriterien erfüllt und die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. |