Glossar Mediation

Selbstinstruktion

Begriff Definition
Selbstinstruktion

Selbstinstruktion bezeichnet eine wissenschaftlich fundierte Methode zur bewussten Steuerung innerer Dialoge und Gedankenprozesse. Diese kognitive Verhaltenstechnik, entwickelt von Donald Meichenbaum und Joseph Goodman in den 1970er-Jahren, ermöglicht es Menschen, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu lenken und emotionale Reaktionen besser zu kontrollieren.

Theoretische Fundierung
Selbstinstruktion basiert auf der Erkenntnis, dass Menschen durch bewusste verbale oder gedankliche Anweisungen ihr Verhalten systematisch beeinflussen können. Donald Meichenbaum entwickelte diesen Ansatz als Teil der kognitiven Verhaltenstherapie, um Patienten dabei zu helfen, dysfunktionale Denkmuster zu durchbrechen und adaptive Strategien zu entwickeln.

Der Prozess gliedert sich in fünf aufeinander aufbauende Stufen:

  1. Fremdsteuerung durch Modellverhalten:
    Ein Therapeut oder Trainer demonstriert die gewünschte Handlung und verbalisiert dabei seine Gedankengänge

  2. Lautes Selbstgespräch:
    Die Person führt die Aufgabe aus und spricht ihre Überlegungen laut aus.

  3. Geflüsterte Selbstinstruktion:
    Die Verbalisierung wird leiser, bleibt aber noch hörbar.

  4. Stille Selbstinstruktion:
    Die Anweisungen werden nur noch gedacht

  5. Automatisierte Anwendung:
    Die Strategien werden unbewusst angewendet

 

Kernelemente der Selbstinstruktion
Die Methode umfasst verschiedene Komponenten, die systematisch trainiert werden:

  1. Problemdefinition:
    "Was genau ist meine Aufgabe?" oder "Welches Problem muss ich lösen?"

  2. Strategieentwicklung:
    "Welche Schritte sind notwendig?" oder "Welche Lösungswege stehen mir zur Verfügung?"

  3. Aufmerksamkeitslenkung:
    "Ich konzentriere mich jetzt auf..." oder "Wichtig ist, dass ich..."

  4. Selbstbewertung:
    "Das habe ich gut gemacht" oder "Beim nächsten Mal achte ich auf..."

  5. Fehlerkorrektur:
    "Das war noch nicht richtig, ich versuche es anders" oder "Aus diesem Fehler lerne ich..."

 

Anwendungsbereiche der Selbstinstruktion

  • Klinische Psychologie und Therapie
    In der therapeutischen Praxis zeigt Selbstinstruktion besonders bei Aufmerksamkeitsstörungen bemerkenswerte Erfolge. Das Marburger Konzentrationstraining, das selbstinstruktive Elemente integriert, führt bei Kindern mit ADHS zu einer Reduktion von Unaufmerksamkeitssymptomen um durchschnittlich 35% nach einem sechswöchigen Training, wie eine Studie der Universität Marburg aus dem Jahr 2023 belegt.
    Bei Angststörungen ermöglicht die Methode Betroffenen, ihre Gedankenspiralen zu unterbrechen und durch positive Selbstverbalisierungen zu ersetzen. Patienten berichten von einer 40-60%igen Reduktion ihrer Paniksymptome nach einem strukturierten Selbstinstruktionstraining.

  • Pädagogischer Kontext
    Im Bildungsbereich unterstützt Selbstinstruktion Schüler und Studierende dabei, ihre Lernstrategien zu optimieren. Besonders bei mathematischen Problemlösungsaufgaben zeigen sich signifikante Verbesserungen: Eine Längsschnittstudie der Universität Augsburg dokumentierte 2024 eine Steigerung der Problemlösekompetenz um 23% bei Grundschülern, die systematisches Selbstinstruktionstraining erhielten.
    Die Methode hilft auch bei der Regulation von Prokrastination und Motivationsproblemen. Studierende, die selbstinstruktive Techniken erlernten, zeigten eine um 27% höhere Aufgabenvollendungsrate im Vergleich zur Kontrollgruppe.

  • Arbeits- und Organisationspsychologie
    In beruflichen Kontexten wird Selbstinstruktion zur Stressreduktion und Leistungsoptimierung eingesetzt. Führungskräfte nutzen die Technik, um in herausfordernden Situationen besonnen zu reagieren und konstruktive Entscheidungen zu treffen.

 

Selbstinstruktion in der Mediation

Mediation erfordert von Praktikern ein hohes Maß an emotionaler Selbstkontrolle und kognitiver Flexibilität.

Selbstinstruktion bietet Mediatoren wertvolle Werkzeuge zur Vorbereitung auf schwierige Gespräche und zur Aufrechterhaltung ihrer neutralen Haltung während des Prozesses.

  1. Emotionale Selbstregulation
    Mediatoren verwenden selbstinstruktive Techniken, um ihre eigenen emotionalen Reaktionen auf Konflikte zu kontrollieren. Typische Selbstinstruktionen umfassen: "Ich bleibe neutral und urteile nicht", "Ich höre beiden Seiten gleichmäßig zu" oder "Meine Aufgabe ist es zu vermitteln, nicht zu bewerten".

  2. Aufmerksamkeitslenkung:
    Durch bewusste Selbstanweisungen können Mediatoren ihre Aufmerksamkeit gezielt auf wichtige Aspekte des Konflikts richten: "Ich achte auf die zugrundeliegenden Interessen", "Ich erkenne Emotionen hinter den Positionen" oder "Ich suche nach gemeinsamen Zielen".

  3. Prozesssteuerung:
    Selbstinstruktion hilft dabei, den Mediationsablauf strukturiert zu gestalten: "Jetzt sammle ich alle Themen", "Nun priorisieren wir die Punkte" oder "Es ist Zeit für die Lösungsentwicklung".

Anwendung bei Konfliktparteien
ediatoren können Selbstinstruktion als Interventionstechnik nutzen, um Konfliktparteien dabei zu unterstützen, konstruktiver zu kommunizieren und ihre Emotionen besser zu regulieren.

  1. Deeskalation von Emotionen:
    Konfliktparteien lernen, sich selbst zu beruhigen: "Ich atme dreimal tief durch, bevor ich antworte", "Ich spreche langsam und bedacht" oder "Ich konzentriere mich auf Lösungen, nicht auf Vorwürfe".

  2. Perspektivwechsel fördern:
    Selbstinstruktionen können helfen, die Sichtweise des anderen zu verstehen: "Ich versuche zu verstehen, warum das für ihn wichtig ist", "Was könnte hinter ihrer Position stehen?" oder "Welche Sorgen hat sie möglicherweise?".

  3. Lösungsorientierung:
    Die Technik lenkt den Fokus auf konstruktive Aspekte: "Welche Optionen haben wir?", "Was ist unser gemeinsames Ziel?" oder "Wie können wir beide gewinnen?".

Praktische Implementierung
Die Integration von Selbstinstruktion in Mediationsverfahren erfolgt schrittweise:

  1. Phase -  Vorbereitung
    Mediatoren erläutern das Konzept und üben einfache Techniken mit den Parteien ein.

  2. Phase - Anwendung
    Während des Gesprächs werden Selbstinstruktionen als "Denkpausen" eingebaut.

  3. Phase - Verinnerlichung:
    Die Parteien entwickeln eigene, situationsangepasste Selbstanweisungen.

  4. Phase - Transfer:
    Die erlernten Techniken werden auf zukünftige Konfliktsituationen übertragen.

Grenzen und kritische Betrachtung
Selbstinstruktion ist nicht für alle Personen oder Situationen gleich geeignet.

  1. Kinder unter acht Jahren haben oft noch nicht die notwendigen metakognitiven Fähigkeiten entwickelt, um die Technik effektiv anzuwenden.
  2. Bei schweren psychischen Erkrankungen kann die Methode allein nicht ausreichen und sollte in ein umfassendes Behandlungskonzept eingebettet werden.
  3. Kulturelle Unterschiede beeinflussen ebenfalls die Wirksamkeit: In kollektivistisch geprägten Kulturen, wo Selbstreflexion weniger im Vordergrund steht, zeigt die Methode teilweise geringere Erfolgsraten.

Anwendung in der Mediation
In Mediationsverfahren kann übermäßiger Fokus auf Selbstinstruktion paradoxerweise zu einer Verkopfung des Prozesses führen. Die Balance zwischen kognitiver Kontrolle und emotionaler Authentizität muss sorgfältig austariert werden. Zudem erfordert die Vermittlung von Selbstinstruktionstechniken zusätzliche Zeit und Kompetenz von Mediatoren, was nicht in allen Settingsrealisierbar ist.

Zusammenfassung
Selbstinstruktion ist eine Methode zur bewussten Steuerung von Gedanken, entwickelt in den 1970er-Jahren von Donald Meichenbaum und Joseph Goodman. Sie hilft Menschen, ihre Aufmerksamkeit zu lenken und ihre emotionalen Reaktionen zu kontrollieren. Die Technik wird in fünf Stufen trainiert und umfasst Komponenten wie Problemdefinition, Strategieentwicklung und Fehlerkorrektur. Sie wird erfolgreich in klinischer Psychologie, Pädagogik sowie Arbeits- und Organisationspsychologie angewendet, zum Beispiel zur Verbesserung bei ADHS oder zur Stressreduktion bei Führungskräften. In der Mediation unterstützt Selbstinstruktion die emotionale Selbstregulation und hilft Konfliktparteien, konstruktiver zu kommunizieren. Die Methode hat allerdings Grenzen bei Kindern unter acht Jahren und in bestimmten kulturellen Kontexten.

© 2025 Frank Hartung Ihr Mediator bei Konflikten in Familie, Erbschaft, Beruf, Wirtschaft und Schule

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