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Wunderfrage

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Wunderfrage

Die Wunderfrage ist ein effektives Werkzeug in der der psychosozialen Arbeit, des Coachings und der Mediation, entwickelt von Steve de Shazer. Sie hilft Klienten, von Problemen wegzudenken und Lösungen zu visualisieren. Sie wird in vielen psychosozialen Feldern angewandt, denn Gespräche über Lösungen fördern diese, während Problemfokussierung sie verstärkt.

 

Definition und theoretische Grundlagen der Wunderfrage

Die Wunderfrage ist ein Instrument der lösungsorientierten Kurzzeittherapie, entwickelt von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Das Konzept des Wunders dient nicht der Förderung einer unkritischen Gläubigkeit, bei der erwartet wird, dass Lösungen ohne eigenes Zutun einfach geschehen. Vielmehr dient Wunderfrage als Empowerment-Strategie, um Menschen aus ihrem Problemerleben herauszuführen und eigene Lösungsvisionen zu fördern. Die Technik regt Klienten an, sich ein Leben ohne ihre Probleme vorzustellen, um realistische Ziele zu entwickeln. 

 

Philosophische und methodische Einordnung

Die theoretische Grundlage der Wunderfrage geht davon aus, dass Menschen das Wissen zur Problemlösung bereits in sich tragen. Ungewöhnliche Fragen fördern das Entdecken unbewussten Wissens und ermöglichen neue Perspektiven. Die Methode basiert auf kleinen Schritten und der Annahme, dass schon minimale Veränderungen weitere nach sich ziehen. Die Wunderfrage ist ein interaktives Fokussierungsangebot in einem wertschätzenden Dialog, das in definierten Phasen mit Pausen für Reflexionszeit durchgeführt wird.

 

Funktionsweise und methodische Umsetzung der Wunderfrage

Die Wunderfrage ist eine strukturierte Technik, bei der der Klient aufgefordert wird, sich eine hypothetische Zukunft ohne sein Problem vorzustellen. Diese Technik muss flexibel an die Antworten des Klienten angepasst werden. Steve de Shazer betont, dass die Anwendung der Wunderfrage erst sinnvoll ist, wenn sie aus der Perspektive der Lösungserfahrungen des Klienten erfolgt, ganz nach dem Prinzip von Heinz von Foerster: Der Empfänger bestimmt die Bedeutung der Botschaft.

 

Phasenabfolge und praktische Durchführung

Die Anwendung der Wunderfrage erfordert sorgfältige Vorbereitung, da sie trotz ihrer scheinbaren Einfachheit eine durchdachte Nutzung verlangt.

  1. Es ist ratsam, den Kunden auf außergewöhnliche Fragen vorzubereiten. Die Art und Weise, wie man diese formuliert, sollte je nach Situation angepasst werden. Eine mögliche Einleitung könnte lauten: "Vielleicht findest du die nächste Frage etwas sonderbar, sie erfordert jetzt jedoch viel Vorstellungskraft..." Der Mediator gibt dem Klienten einen Moment, um zu reagieren und beobachtet seine Gestik, wie ein bejahendes Kopfnicken, bevor es weitergeht.

  2. Die eigentliche Fragestellung beginnt dann mit der Bitte: "Stellen Sie sich vor, Sie gehen nach unserem Treffen heute nach Hause, verbringen den Abend wie gewohnt und schlafen schließlich ein..." In regelmäßigen Abständen werden Pausen eingelegt, um dem Klienten Zeit zu geben, über die Gedanken nachzudenken.

  3. Der entscheidende Teil dieser Methode ist: "Während Sie schlafen, geschieht etwas Unerwartetes... Ihr Problem löst sich auf wundersame Weise..." Diese Formulierung ermöglicht es dem Kunden, frei von gedanklichen Barrieren über seinen idealen Zustand zu sprechen, da es sich um ein "Wunder" handelt. So werden die tatsächlichen Bedürfnisse erkennbar, die sich mitunter deutlich von den gesetzten Zielen unterscheiden.

  4. Auf die grundlegende Wunderfrage folgen gezielte Nachfragen, um die Vision der Lösung zu vertiefen und zu konkretisieren. Typische Fragen könnten sein: "Woran würden Sie dieses Wunder zuallererst erkennen? Wer außer Ihnen würde bemerken, dass dieses Wunder eingetreten ist und Ihr Problem verschwunden ist?"

  5. Weiterführende Fragen könnten lauten: "Was unternehmen Sie als erstes? Was folgt darauf? Was machen Sie anders? Wer bemerkt es zuerst? Woran? Wer findet die Veränderung positiv, wer weniger? Was hat sich in Ihrem Alltag, Ihrer Beziehung oder Ihrem Team verändert?" Diese Nachfragen helfen, die Vision der Lösung zu konkretisieren und erste praktische Schritte zu identifizieren.

  6. Eine besonders wichtige Frage ist: "Welches wäre ein anfänglicher kleiner Schritt in die passende Richtung?" Klienten werden ermutigt, ihre Eindrücke möglichst lebendig und detailliert zu beschreiben. Dabei ist es nützlich, sich mit allen Sinnen in die neue Lage hineinzuversetzen und zu beobachten, wie sich sowohl körperliche Empfindungen als auch die Stimmung ändern.

 

Nutzen und therapeutischer Wert der Wunderfrage

  1. Die Wunderfrage ist ein nützliches Werkzeug in der Beratung, da sie Veränderungsprozesse beschleunigt und Klienten hilft, schnell kreativ zu denken. Sie macht die Komplexität von Problemen deutlich und stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit, indem Klienten Veränderungen als möglich ansehen, ohne deren Machbarkeit zu hinterfragen.
  2. Die Wunderfrage hilft Klienten, sich vom Problem zu lösen und eine zukunftsorientierte, lösungsfokussierte Perspektive zu entwickeln. Sie basiert auf dem Prinzip der kleinen Schritte, bei dem angenommen wird, dass schon eine geringfügige Änderung weitere Veränderungen nach sich zieht. Es geht darum, alte Muster zu durchbrechen und nicht zu versuchen, etwas zu reparieren, was nicht defekt ist. Manchmal können auch ungewöhnliche Ansätze hilfreich sein.
  3. Die Wunderfrage aktiviert vorhandene Ressourcen und stärkt die lösungsorientierte Perspektive, indem sie hilft, unbewusstes Wissen freizusetzen. Sie erweitert den Blickwinkel und ermöglicht Menschen, ihre eigene Kraft für Lösungen zu entdecken. Dadurch werden Klienten dazu befähigt, Verantwortung zu übernehmen und realistische Ziele für Veränderungen im Alltag zu entwickeln.

 

Grenzen und kritische Betrachtung der Wunderfrage

  1. Die Wunderfrage hat Vorteile, kann aber auch Skepsis hervorrufen und ist nicht immer für alle Klienten geeignet.
  2. Manchmal führt sie zu unrealistischen Antworten und kann bei schwierigen Situationen überfordernd sein.
  3. Sie sollte nicht wiederholt angewendet werden, um Überraschungsmomente zu vermeiden.
  4. Fehlinterpretationen können dazu führen, dass Klienten annehmen, Probleme lösen sich von selbst.
  5. Radikal lösungsfokussierte Ansätze können Bemühungen und Bindungen der Menschen vernachlässigen, was als mangelnde Wertschätzung empfunden werden kann.

 

Handlungsempfehlungen und Best Practices

  1.  Die Anwendung der Wunderfrage erfordert sorgfältige Vorbereitung, eine offene Fragestellung und eine Integration in den Beratungsprozess.
  2. Berater sollten auf nonverbale Signale achten und dem Klienten Zeit geben, um über Antworten nachzudenken.
  3. Die Wunderfrage ist Teil eines umfassenden Beratungsansatzes und sollte dazu genutzt werden, realistische Schritte zur Zielerreichung zu entwickeln.
  4. Drei Grundprinzipien der lösungsorientierten Beratung sind dabei zu beachten:
    1. Nicht reparieren, was nicht kaputt ist.
    2. Das Funktionierende fördern.
    3. Bei Misserfolg neues ausprobieren.
  5. Effektive Anwendung erfordert fundierte Ausbildung und kontinuierliche Weiterbildung.
  6. Supervision und kollegiale Beratung sind wichtig für die Kompetenzentwicklung und die Reflexion der eigenen Grenzen.

 

Fazit

Die Wunderfrage hat sich als eines der wirkungsvollsten Instrumente der lösungsorientierten Beratung etabliert und bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in Coaching, Therapie und Mediation. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, Klienten aus problemzentrierten Denkmustern herauszuführen und sie dabei zu unterstützen, eigene Lösungsressourcen zu entdecken. Bei sachkundiger Anwendung und unter Berücksichtigung ihrer Grenzen kann die Wunderfrage einen wertvollen Beitrag zur professionellen Beratungspraxis leisten und Menschen dabei unterstützen, positive Veränderungen in ihrem Leben zu gestalten.

Synonyme: Wunderfragen
© 2025 Frank Hartung Ihr Mediator bei Konflikten in Familie, Erbschaft, Beruf, Wirtschaft und Schule

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