Reverse Brainstorming |
Die Kopfstand-Methode, auch als Reverse Brainstorming, Umkehrmethode oder Flip-Flop-Technik bezeichnet. ist eine effektive Kreativitätstechnik zur Problemlösung, die darauf basiert, dass Menschen oft leichter Probleme erkennen als Lösungen zu finden. Sie bietet einen Perspektivenwechsel und generiert innovative Lösungsansätze, indem Denkblockaden überwunden werden. Diese Methode wird erfolgreich in Mediation und Coaching eingesetzt.
Grundprinzipien und theoretische Fundierung des Reverse Brainstorming
- Reverse Brainstorming nutzt spezifische psychologische Mechanismen und die menschliche Neigung zur Kritik als eine kreative Ressource für Problemlösungen, im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, die auf positiven Lösungsansätzen basieren.
- Reverse Brainstorming beruht auf der Idee, dass herkömmliche Denkmuster oft zu einer "Betriebsblindheit" führen, die neue Lösungen verhindert. Durch eine 180-Grad-Wendung der Perspektive, bei der das Problem ins Gegenteil verkehrt wird, sollen Denkblockaden aufgebrochen werden.
- Ein zentrales Prinzip der Methode ist die Aktivierung des kreativen Potentials durch Perspektivenwechsel. Um Denkstrukturen zu lockern, wird beispielsweise die Fragestellung umgekehrt – statt nach Verbesserungen zu suchen, fragt man, wie man die Situation verschlechtern könnte. Dadurch können Teilnehmende spielerisch und ohne Perfektionsdruck Lösungen entwickeln.
- Die psychologische Effektivität der Kopfstand-Methode basiert auf verschiedenen Aspekten: Sie mindert Leistungsdruck, regt neue Denkwege im Gehirn an und ermöglicht eine spielerische Annäherung, die oft zu unerwarteten Ideen führt und mentale Blockaden lösen kann.
- Das Prinzip der assoziativen Ideenentwicklung ist zentral beim Reverse Brainstorming. Hier wird im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden eine Vielfalt an Problemaspekten erkundet. Teilnehmer können frei Ideen entwickeln, ohne sich um Umsetzbarkeit oder Sinn zu sorgen, was die Ideenfindung fördert.
Methodik und konkrete Techniken der Kopfstand-Methode
Die Kopfstand-Methode ist ein strukturierter und dennoch flexibler Prozess, der in verschiedene Phasen unterteilt ist. Er kann je nach Situation und Ziel angepasst werden und ermöglicht systematische Problembearbeitung sowie kreative Freiheit der Teilnehmer.
- Die erste Phase eines Prozesses beginnt mit der genauen Bestimmung des Problems, das gelöst werden soll. Diese sollte klar und verständlich sein, um darauf aufbauend wirksam arbeiten zu können. Dabei geht es beispielsweise um Fragen der Kundengewinnung, Verbesserung des Betriebsklimas oder Optimierung der Teamarbeit. Die Formulierung des Problems ist für den Erfolg der weiteren Schritte essentiell. Beispiele für solche Problemstellungen können sein: "Wie können wir mehr Kunden gewinnen?", "Wie verbessern wir das Betriebsklima?" oder "Wie können wir die Teamzusammenarbeit optimieren?". Die klare Formulierung ist entscheidend, da sie die Grundlage für alle folgenden Schritte bildet.
- In der zweiten Phase der Problemumkehr wird die Frage "Wie können wir mehr Kunden gewinnen?" in "Was können wir tun, damit Kunden fernbleiben?" umgewandelt. Es ist wichtig, einfache Verneinungen zu vermeiden und stattdessen klare und starke Formulierungen zu nutzen, die das unerwünschte Szenario beschreiben.
- In der dritten Phase einer Brainstorming-Sitzung entwickeln die Teilnehmer innerhalb von 5 bis 10 Minuten so viele "Verschlimmerungsideen" wie möglich zu einer umgekehrten Fragestellung. Dabei gelten die üblichen Brainstorming-Regeln, die besagen, dass es keine Bewertung oder Kritik geben soll, Quantität vor Qualität steht und auch ausgefallene Ideen willkommen sind. Die Ideen werden auf Flipcharts, Pinnwänden oder digitalen Whiteboards festgehalten, um für alle sichtbar zu sein.
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis verdeutlicht diesen Prozess: Bei der Frage "Was können wir alles dafür tun, dass die Kunden wegbleiben?" könnten folgende Ideen gesammelt werden: weniger Google-Werbung, weniger Blogbeiträge, schlechtere Qualität liefern, kürzere Öffnungszeiten, höhere Preise fordern, unfreundliches Personal einsetzen, oder keine Beschwerden bearbeiten. Diese Phase wird oft von Gelächter und einer lockeren Atmosphäre begleitet, da die Teilnehmenden Spaß daran finden, bewusst schlechte Ideen zu entwickeln.
- Die vierte Phase umfasst das systematische Einordnen der negativen Ideen in Kategorien, die je nach Problem entweder Personen, Unternehmensbereichen oder Themen zugeordnet sind. Dies erleichtert es, die Ideen zu strukturieren und gezielt zu bearbeiten.
- In der fünften Phase werden negative Ideen in positive Lösungsansätze umgewandelt. So wird aus "weniger Google-Werbung" "mehr Google-Werbung", aus "schlechtere Qualität" "bessere Qualität" und aus "unfreundliches Personal" "freundliches, kundenorientiertes Personal". Diese Umkehrung führt oft zu praktikablen Lösungsvorschlägen, die sonst vielleicht nicht erkannt worden wären.
- Die sechste und finale Phase beinhaltet die Bewertung, Priorisierung und Planung der Umsetzung entwickelter Lösungsideen. Es wird die Machbarkeit und Effektivität der Ideen geprüft und Maßnahmenpläne entwickelt. Die Phase kann durch zusätzliche Kreativitäts- und Entscheidungstechniken unterstützt werden.
Anwendung der Kopfstand-Methode in der Mediation
Die Kopfstand-Methode verbessert die Effektivität der Mediation bei außergerichtlichen Konfliktlösungen, indem sie neue Perspektiven für festgefahrene Konflikte bietet. Mediationen haben eine hohe Erfolgs- und Zufriedenheitsrate. Diese Methode wird vor allem zur Erkundung von Interessen und Lösungsfindung eingesetzt und unterstützt die Beteiligten dabei, ihre Interessen zu befriedigen. Wichtig ist, dass der Mediator neutral und unparteiisch bleibt und die Eigenverantwortung der Parteien bewahrt wird. Ein praktisches Beispiel aus der Wirtschaftsmediation verdeutlicht die Anwendung: Bei einem Konflikt unter Geschäftspartnern um Gewinnverteilung kann man fragen, wie man für Unzufriedenheit sorgen kann, was zu Vorschlägen wie intransparente Abrechnungen und das Zurückhalten von Infos führt. Die umgekehrte Herangehensweise würde für Transparenz, offenen Austausch, klare Verträge und gemeinsame Entscheidungsgremien plädieren.
Die Kopfstand-Methode ist für Mediationen sehr geeignet, weil sie Lösungsorientierung fördert und den Parteien hilft, ihren Anteil am Konflikt zu sehen, ohne sich angegriffen zu fühlen.
In der Familienmediation wird die Methode genutzt, um durch die Umkehrung der Fragestellung "Wie können wir das Kindeswohl am meisten gefährden?" zu kindeswohlorientierten Lösungsansätzen zu gelangen. Antworten auf die umgekehrte Frage führen zu Erkenntnissen darüber, was vermieden werden sollte, etwa das Ausspielen der Eltern gegeneinander oder instabile Betreuungsarrangements. Dadurch können konstruktive Vereinbarungen für das Sorgerecht gefunden werden.
Anwendung im Coaching und in der Organisationsentwicklung
Die Kopfstand-Methode ist ein effektives Werkzeug im Einzel- und Team-Coaching sowie in der Organisationsentwicklung. Sie hilft, festgefahrene Denkweisen zu überwinden und fördert innovative Lösungen für verschiedene Herausforderungen, einschließlich Karriere- und Persönlichkeitsentwicklung.
- In der FFG Akademie wurde die Kopfstand-Methode erfolgreich in Trainings zur Antragstellung für EU-Forschungsprojekte verwendet. Trainerin Astrid Hoebertz erklärte, dass diese Methode, bei der man negative Fragen stellt, wie "Was macht ein schlechtes Konsortium aus?", zu vielfältigeren und praxisrelevanten Erkenntnissen führt, als herkömmliche positive Fragestellungen.
Die Kopfstand-Methode im Coaching reduziert Leistungsdruck und fördert spielerische Kreativität. Durch die Verminderung des Erwartungsdrucks bei Klienten wird die Lösungsfindung erleichtert. Negative Aspekte bewusst zu fokussieren, erlaubt eine entspanntere und kreativere Problembearbeitung.
Im Einzelcoaching kann die Methode beispielsweise bei Karriereentscheidungen angewendet werden. Ein Klient, der sich zwischen verschiedenen Jobangeboten entscheiden muss, könnte gefragt werden: "Wie würde der absolut schlimmste Job für Sie aussehen?". Die Antworten könnten beinhalten: "Keine Entwicklungsmöglichkeiten", "Schlechtes Arbeitsklima", "Überforderung ohne Unterstützung", "Sinnlose Tätigkeiten" oder "Lange Pendelwege". Die Umkehrung dieser Aspekte führt dann zu einer klaren Liste positiver Kriterien, die bei der Jobauswahl berücksichtigt werden sollten.
Handlungsempfehlungen für die praktische Anwendung
Die Kopfstand-Methode ist eine effektive Kreativitätstechnik in Mediation und Coaching, die einen Perspektivwechsel ermöglicht und bei der Lösung von Problemen hilft.
- Ihre erfolgreiche Anwendung erfordert eine systematische Vorbereitung und Qualifikation der Mediatoren und Coaches.
- Es ist wichtig, dass die Beteiligten freiwillig zustimmen und über die Methode aufgeklärt werden.
- Im Coaching sollte die Methode vorsichtig eingeführt und psychologisch erklärt werden.
- Die Dokumentation der Ergebnisse ist für die spätere Umsetzung von Maßnahmen essentiell.
- Die Nachbereitung sollte in konkrete Handlungsschritte münden, wobei Methoden wie SMART für die Zielformulierung nützlich sind.
- Die Qualität der Durchführung und fortlaufende Weiterbildung der Anwender sind entscheidend für den Erfolg der Methode.
Fazit
Die Kopfstand-Methode ist eine wertvolle Kreativitätstechnik für Mediation und Coaching. Sie ermöglicht durch Perspektivwechsel neue Lösungen und ist daher für Fachleute in diesen Bereichen unverzichtbar. Die Methode sollte in deren Ausbildung und Praxis integriert werden, um die Qualität ihrer Arbeit zu erhöhen.
Synonyme:
Kopfstand-Methode, Umkehrmethode, Flip-Flop-Technik
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